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dagegen vom 39. Art. an waren nur ungeordnete Materialien oder unvoll-
ständige Abrisse vorhanden, welche der Ergänzung, Ordnung und Redi-
gierung bedurften; hier (Bd. II S. 383) beginnt daher die selbständige Arbeit
BRUNELLIs unter Benutzung dieser Materialien und Bruchstücke und unter
Befolgung der gleichen Methode und Darstellungsweise Die zweite Hälfte
des Kommentars ist daher das Werk BRUNELLIS.
Das Werk ist kein Kommentar im gewöhnlichen Sinne; es beschränkt
sich nicht auf eine Umschreibung des Gesetzestextes, Erläuterungen der
Worte, Angabe der zu den einzelnen Artikeln ergangenen Gesetze und
Entscheidungen; sondern es behandelt die in den einzelnen Verfassungs-
bestimmungen berührten Rechtsmaterien in freier wissenschaftlicher Dar-
stellung, welche zwar die Entstehungsgeschichte und Bedeutung der Artikel
erläutert, aber darüber hinaus eine theoretische Erörterung des betreffenden
Gegenstandes gibt. Man kann das Werk als eine fortlaufende Reihe von
Abhandlungen bezeichnen, welche das gesamte Staatsrecht umfassen. So
wird beispielsweise zu Art. 5 in erschöpfender Weise die Lehre von den
Staatsverträgen, zu Art. 6 das Verordnungsrecht, zu Art. 3 und 7 die Ge-
setzgebung dargestellt. Für eine solche Behandlung des Staatsrechts ist
aber offenbar die Form des Kommentars viel weniger geeignet als die einer
systematischen Anordnung des Stoffes, zumal bei einem Gesetz wie das
italienische Verfassungsstatut, welches nicht nur wie die meisten Ver-
fassungen unvollständig ist, sondern auch seine Bestimmungen in ungeord-
neter und willkürlicher Weise aneinanderreiht. Dadurch werden zahlreiche
Verweisungen und Wiederholungen notwendig, andererseits werden zu-
sammengehörige Erörterungen auseinandergerissen und grundlegende Aus-
führungen haben ihren Platz da gefunden, wo sie sich — man kann sagen
zufällig — an einen Artikel oder an ein Wort des Verfassungsstatuts an-
schließen. Das Werk ist weniger ein Kommentar als ein systenmloses System
des italienischen Staatsrechts, dessen Gebrauch durch ein ausführliches
Sachregister ermöglicht wird. Die Erörterungen sind klar, gründlich und
kenntnisreich; aber sie enthalten zum großen Teil politische Betrachtungen
und Entwicklungen der allgemeinen konstitutionellen Staatslehre auf Grund-
lage der Volkssouveränetät, deren juristischer Wert sehr problematisch ist
und denen vielfach der Reiz der Neuheit fehlt. Die deutsche staatsrecht!l.
Literatur ist den Verfassern wohlbekannt und namentlich von RAcIoPPI in
reichem Maße und mit vortrefflichem Verständnis verwertet, aber niemals
zitiert worden. Am Schluß des Werkes ist ein reichhaltiges Verzeichnis
deritalienischen Staatsrechtsliteratur zusammengestellt, welches sehr dankens-
wert ist. Besonders zu rühmen ist die elegante, ungekünstelte und geist-
volle Art der Darstellung, welche die Lektüre des Werkes zu einer sehr
fesselnden macht.
Straßburg i. Els. Laband.