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das Ehescheidungsurteil und das Strafurteil ist von der zweiten, die Steuer-
veranlagung ebenfalls.
Auch nach österreichischem Rechte scheint mir die Veranlagung kei-
nen „Akt mit freiem Ermessen“ vorzustellen; was der Verfasser S. 143 da-
für vorbringt, dürfte wohl nichts anderes als ‚richterliches Ermessen‘ sein,
der richterlichen Bemessung des geschuldeten Schadensersatzes vergleich-
bar. Das ändert die Natur der Entscheidung bekanntlich nicht. Will man
aber wegen des „konstitutiven“ Elementes mit dem Verfasser die Veranla-
gung statt einfach eine Entscheidung, eine „Entscheidung und Verfügung“
nennen, so sehe ich dabei keinen Vorteil herauskommen, Die juristische
Unterscheidungskunst in allen Ehren, aber wir wollen doch darauf achten,
daß wir nicht vor lauter Scharfsinn den Zusammenhang mit der lebendigen
Wirklichkeit verlieren. Das ist ja schließlich eine Methodenfrage. Dem Ver-
fasser gegenüber berufe ich mich aber umso lieber darauf, als ich den er-
freulichen Eindruck habe, in diesen Dingen, der Grundrichtung nach, mit
ihm übereinzustimmen, Otto Mayer.
Arno Kloess, Das deutsche Wasserrecht und das Wasser-
recht der Bundesstaaten des Deutschen Reichs.
Grundzüge der geschichtlichen Entwicklung und des Systems auf
Grund der deutschen Rechtsquellen, Literatur und der Wasser-, Müh-
len- und Fischereigesetzgebung der Bundesstaaten. Halle a.S. Wil-
helm Knapp 1908. VIII und 221 S.
Der Verfasser schildert im Vorwort sehr anschaulich, wie er zu diesem
Buche gekommen ist. Zuerst wollte er eine Geschichte des sächsischen
Wasserrechts schreiben. Da ihm aber ein Leipziger Verleger den Mut dazu
benahnı, beschloß er, sich an Geschichte und System des deutschen Wasser-
rechts zu machen, Dabei gewann er zwar große Eindrücke, erkannte aber
auch, daß seine Kräfte nicht ausreichten, und deshalb beschränkte er sein
Thema auf das, was er hier bietet: Grundzüge der Geschichte und
des Systems des deutschen Wasserrechts. Damit wird er sich aber die
Sache wohl kaum erleichtert haben; gute Grundzüge sind schwerer zu
schreiben als ein ganzes System. Jedenfalls muß man anerkennen, daß der
Verfasser seine eigenen Wege geht. Er kämpft gegen den Einfluß des rö-
mischen Rechts, gegen den Begriff des öffentlichen Eigentums, den er nicht
mit Unrecht im Verdacht hat, mit dem römischen Recht in Zusammenhang
zu stehen, gegen die damit verbundene Machterweiterung des Staates („des
Allzertreters Dschagannath“ S. 163). Der Gemeingebrauch steht nicht allen
Menschen zu, auch nicht allen Staatsangehörigen , sondern allen Gebiets-
angehörigen (S. 47, S. 163 Note 1). Diese werden wohl auch bezeichnet als
„die gebietsanwesende Bevölkerung“ (S. 195). Wer in den Kreis eintritt,
erwirbt dadurch „das Gemeineigenrecht zum Gebrauch des Wassers", Soll
das heißen, daß der Russe, sobald er in Memel ankonmt, dieses Recht am