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Rheinstrom erwirbt? Oder ist Gebietsangehörigkeit die Anwesenheit an
dem Gewässer, so daß man es auch tatsächlich benützen kann”? Das würde
doch wohl auf das allgemeine Menschenrecht hinauslaufen. — Besonderes
Gewicht legt der Verfasser auf die Feststellung, daß die herrschende Lehre
irrt, wenn sie die schiffbaren Gewässer als öffentliche oder als dem
Gemeingebrauche unterliegende bezeichnet. Das ist nach ihm wieder ein
Romanismus, Uebersetzung von navigabilis. Die deutschen Quellen aber
sagen „schiffreiche* Gewässer; auf den „Schiffreichtum“ kommt es
an, also nur die „Hauptverkehrsflüsse® sind hier gemeint (S. 24 ff, S. 173,
S. 181 fi). GRIMM, Deutsches Wörterbuch Bd. IX V°® „Schiffreich‘, be-
merkt allerdings zu diesem Wort: „in älterer Sprache in der Bedeutung
„schiffbar“ mhd. „schiffrech“. Das scheint dem ganzen Gebäude des Ver-
fassers den Boden zu entziehen.
So wäre überhaupt gar manches einzuwendeu. Der Verfasser führt
aber seine Sache jedenfalls mit sehr viel Eifer und Selbständigkeit durch
und freut sich seiner Ergebnisse, die er am Schlusse (S.213 ff.) in 10 The-
sen zusammenfaßt. „Diese Grundsätze“, sagt er von ihnen, „eignen sich zu
einer Verwendung in den Wassergesetzen der deutschen Bundesstaaten.
Auch einem künftigen Reichswassergesetz mögen sie zugrunde gelegt wer-
den.“ Ich verspreche mir nicht so viel davon. Es handelt sich doch gar
u sehr nur um allerlei Einfälle und die wissenschaftliche Begründung und
Durchführung ist recht mangelhaft. Otto Mayer.
Handbuch der Unfallversicherung in drei Bänden. Die Reichs-
Unfallversicherungsgesetze dargestellt von Mitgliedern des Reichs-
Versicherungsamtes nach den Akten dieser Behörde. Dritte, nach
den Gesetzen vom #0. Juni 1900 neubearbeitete Auflage. Leipzig,
Breitkopf und Härtel. 1. Bd. (1909) 672 S., 2. Bd. (1909) 652 S,.,
3. Bd. (1910) mit Sachregister 1004 8.
Ein amtliches Werk in wissenschaftlicher Form könnte leicht Vorurteile
gegen sich herausfordern, denn es gibt keine amtliche, keine offizielle
Wissenschaft. Der Staat kann der Wissenschaft Stoff bieten durch das,
was er tut, aber er kann nicht selbst Wissenschaft hervorbringen. Wie
der Staat nicht über sich selbst Reflexionen anstellen kann, weil er durchaus
nur Tat ist, so sind auch diejenigen von seinen Kundgebungen, welche das
W&ewand der Wissenschaft tragen, als Taten und nicht als Gedanken zu
schätzen. Mit solchen Voraussetzungen tritt die wissenschaftliche Kritik
vor dieses Werk, welches in seiner Art wohl einzig dasteht. Nun begegnet
freilich sofort der Einwand: Das Handbuch ist keine offizielle Publikation
des Reichsversicherungsamtes, es ist keine amtliche Nachricht oder Denk-
schrift, es enthält keine einzige Publikation irgend einer Entscheidung, Be-
kanntmachung, Entschließung etc. von Amts wegen, die nicht anderwärts