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Finunzreform lediglich ein Hinneigen des IV. Kanzlers zum Parlamen-
tarismus zu erblicken, das nicht notwendig ein Hinneigen der jeweiligen
Regierung zu diesem System im Gefolge zu haben braucht, so stimme ich
allerdings mit TOMBARO überein, wenn er in der während der November-
debatten abgegebenen Erklärung Bülows, der Kaiser werde sich in Zukunft
in allen, auch in seinen Privatgesprächen die im Interesse: der Politik wie
des Ansehens der Krone unentbehrliche Reserve auferlegen, im Sinne des
Parlamentarismus interpretiert.
Ob aber Tom»Aro Recht hat, wenn er für die Zukunft einen stetig
wachsenden Einfluß des Parlaments auf die Regierung prophezeit? Der
Charakter dieser Besprechung verbietet es mir, auf eine Untersuchung dieser
Frage näher einzugehen, aber so viel sei doch gesagt: Mir scheint in ab-
sehbarer Zeit eine Verwirklichung dieses Prinzips schon mit Rücksicht auf
die eigenartige Doppelstellung, die der Kanzler als Reichsminister und
preußischer Ministerpräsident einnimmt, ausgeschlossen. Denn es müßte
der Kanzler, um die preußische Politik mit der des Reiches in Einklang
zu bringen, diejenige Stellung gegenüber seinen Kollegen im preuß. Minister-
rat einnehmen, die er gegenüber seinen Staatssekretären im Reich besitzt,
d. h. es müßte an Stelle des Prinzips der Koordination das der Subordi-
nation treten.
Dr. KarlStrupp, Frankfurt a. M.
Ernst Viktor Zenker, Kirche und Staat unter besouderer
Berücksichtigung der Verhältnisse in Oesterreich.
Wien und Leipzig 1909. 8° XI und 211 8.
Eine kirchenpolitische Kampfschrift, die auf Grund der Geschichte
nachweisen will, daß die katholische Kirche, verbündet mit dem Staate,
stets eine Gefahr für diesen ist, und die deshalb die Trennung von Staat
und Kirche, Beseitigung der öffentlich-rechtlichen Anerkennung, und der
Privilegierung der Kirche, sowie die Aufhebung des Kultusbudgets in
Oesterreich empfiehlt. Die zwanglos und volkstümlich gehaltene Schrift
verfolgt nach den Worten des Verfassers (S. VIII) lediglich den Zweck „für
Volksredner und Publizisten eine Rüstkaınmer zu sein, aus der sie Waffen
im Aufklärungskampfe holen könnten. Da sonach ein wissenschaft-
licher Zweck nicht erstrebt wird, das Buch auch nicht einen derartigen
Charakter trägt, erübrigt sich wohl eine weitere Besprechung in dieser
Zeitschrift.
München. Rothenbücher.
Die juristische Fakultät der Universität Berlin von
ihrer Gründung bis zur Gegenwart in Wort und
Bild, in Urkunden und Briefen. Mit 450 handschriftlichen