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fehle, Auslieferung, Naturalisation, Begnadigung, disziplinarische
Verfügungen usw.
4.
Statt von Gültigkeit eines obrigkeitlichen Rechtsaktes, spricht
man auch von Rechtskraft 2°. Die Lehre von der Rechtskraft
ist vornehmlich von der Zivilprozeßwissenschaft, speziell für die
Zivilurteile, ausgebildet worden. Die wesentlichen Grundsätze
der Rechtskraft sind aber für sämtliche obrigkeitlichen Rechts-
akte die gleichen **.
Die herrschende Lehre unterscheidet formelle und materielle
Rechtskraft. Es scheint mir aber die Rechtskraft könne stets
nur materieller Natur sein. Schon der Ausdruck Kraft deutet
auf etwas Wirkendes hin. Die bloße Form kann keine Kraft
äußern, nicht wirken.
In der Tat ist das, was man als formelle Kraft bezeichnet,
nichts anderes als materielle Kraft. Der Satz, daß ein rechts-
förmiger Akt nur wieder durch einen Akt in der gleichen oder
höheren Form abgeändert oder aufgehoben werden könne, be-
deutet: die rechtlichen Wirkungen eines Aktes können nur durch
die rechtlichen Wirkungen eines anderen Aktes aufgehoben oder
geändert werden. Es stehen sich dann Wirkung gegen Wirk-
ung, Kraft gegen Kraft gegenüber, wobei die letztere die stärkere,
siegende ist. Ein rechtsförmiger Akt ist Tatsache, er gehört der
Geschichte an und kann formell nicht mehr zum Verschwinden
gebracht werden. „Ein Akt hebt den anderen auf“ kann nur
bedeuten, die (materielle) Wirkung des neuen Aktes hebt die
(materielle) Wirkung des früheren auf. Eine Bestimmung im
2° Die Verfassung verleiht die Rechtskraft den Gesetzen, das Gesetz
den übrigen Rechtsakten. Die Rechtskraft der Verfassung ergibt sich aus
ungesetztem Staatsrechte.
21 BERNATZIK a. a. OÖ. S. 130 will als Träger der (materiellen) Rechts-
kraft nur einen Akt der Rechtssprechung gelten lassen. Dagegen vor-
nehmlich O. MAYER, Archiv für öffentl. Recht Bd. 21 S. 1ff,