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der ausländischen Kritik und Literatur entsprechende Beachtung und wurde
auch in dieser Zeitschrift von berufener Hand allgemein gewürdigt!. Auch
hervorragende österreichische Juristen und Historiker — es seien u. a.
LUSCHIN, TEZNER, STEINACKER erwähnt — wendeten der Arbeit Tımons
großes Interesse zu. Allerdings fiel hier die Beurteilung nicht immer
günstig aus: sowohl in der grundsätzlichen Auffassung, namentlich in dem
von TIMOoN versuchten Nachweise, daß die Ungarn früher als die andern
Völker des Westens den ständischen Staatsdualismus überwunden hätten
undzur modernen einheitlichen, organischen Auffassung des Staates ge-
langt seien, als auch in wichtigen Einzelfragen gelangen dieselben vielfach
zu anderen Ergebnissen und wird dem Verfasser Einseitigkeit, mitunter
nicht hinreichende Tiefe seiner Argumentation zum Vorwurfe gemacht.
So ist das Urteil über den wahren Wert dieser unter allen Umständen höchst
beachtenswerten historischen Arbeit noch keineswegs abgeschlossen. Das
lebhafte Interesse an dem Tımonschen Werke insbesondere in Oester-
reich ist, abgesehen von der Bedeutung des Gegenstandes, namentlich
dadurch zu erklären, daß die wichtigsten Verfassungseinrichtungen, welche
die gemeinsamen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen
Monarchie betreffen, so wie sie aus einer jahrhundertelangen Entwicklung
hervorgegangen sind, durchaus historisch aufgefaßt werden wollen. Hier
haben die älteren Verfassungsbestimmungen ihre aktuelle Bedeutung,
namentlich als wichtigstes Interpretationsmittel für den gegenwärtigen
Rechtszustand, behalten ; dies gilt z. B. von dem in den letzten Jahren viel
umstrittenen Verhältnisse des gemeinsamen Monarchen zum Heere. Der
Gegensatz der Auffassungen besteht darin, daß die österreichischen
Juristen, gestützt auf das österreichische Ausgleichsgesetz vom J. 1867,
unter den „verfassungsmäßigen Herrscherrechten“ des Monarchen, vermöge
welcher demselben nach dem ungarischen Ausgleichsgesetze (GA. XII
aus dem J. 1867) „die Leitung, Führung, innere Organisation der gesamten
Armee zukommt“, die alte historische Stellung des Monarchen als obersten
Kriegsherrn gegenüber der gemeinsamen Armee beider Staaten ver-
stehen, während in den letzten Jahren auf ungarischer Seite, nament-
lich aus der Redaktionsgeschichte der betreffenden Gesetzesbestimmung
der Nachweis versucht wurde, daß diese Herrscherrechte nur in konsti-
tutionellen Formen, somit unter Mitfertigung des Ministers und parla-
mentarischer Verantwortlichkeit geübt werden können. Da war es
doppelt dankenswert, daß Tımon die neue Auflage seines Buches durch
eine, wenn auch kurz gefaßte Geschichte der ungarischen Heeres-
verfassung bereichert hat. In der oben angedeuteten Kontroverse
scheinen nun die Ausführungen Tımons eher für die erstere Auffassung
zu sprechen. Wir entnehmen denselben nämlich, wie mit dem erhöhten
ı Bd. XIX, Heft 2.