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Anmeldung mit Strafe bedroht wird, vor. Mit derselben Logik, mit der ADLER
einen solchen Widerspruch konstruiert, könnte er aus $ 132 lit. b, wo
der Fortbetrieb eines eingestellten Gewerbes unter Strafe gestellt ist, fol-
gern, daß auch ein Unternehmen, dessen Einstellung von der Behörde an-
geordnet worden ist, von ihr gar nicht eingestellt werden dürfe! Endlich
ist die Berufung auf $ 132 lit. a deshalb nicht am Platze, weil nach dieser
Gesetzesstelle auch der Betrieb eines konzessionierten Gewerbes ohne Kon-
zession zu bestrafen ist, während doch der Verfasser selbst nicht leugnen
kann, daß ein solcher Betrieb, abgesehen von der Bestrafung, un-
mittelbar eingestellt werden müsse (S. 53). Dasselbe muß aus $ 132
lit. a für die nichtkonzessionierten Gewerbe gefolgert werden. Auch
von einem Widerspruch mit $ 57 Abs. 1 GO. kann nicht die Rede sein,
schon deshalb nıcht, weil diese Gesetzesstelle die Zurücknahme des sub-
jektiven Rechtes zum Gewerbebetrieb behandelt, während in unserem
Fall kein Recht erworben wurde, daher auch keines genommen werden
kann und nur die Herstellung eines faktischen Zustandes durch eine Ver-
waltungsmaßregel bezweckt wird. Außerdem ist die Zurücknahme gemäß
8 57 Abs. 1 GO. ein Anwendungsfall der Wiederaufnahme des Verfahrens
(Das Recht zum Gewerbebetrieb, 165 ff.) und hat mit unserer Frage gar
nichts zu tun. Die übrigen Einwände AnLErs erledigen sich von selbst.
Wird die unterbliebene Anmeldung noch vor dem Vollzug der Betriebs-
einstellung nachgeholt oder wird der eingestellte Betrieb sofort ordnungs-
mäßig angemeldet und nun befugterweise eröffnet, so hat die Behörde ja
gerade das erreicht, was sie wollte und worauf das Gesetz wegen der Kon-
trolle so viel Wert legt. Dagegen kann dieser Erfolg nach ADLER nur
dadurch erzielt werden, daß man den Sünder recht lange in der Sünde be-
harren läßt, um dann nach mehrmaliger Abstrafung mit der strafwei-
sen Entziehung des Rechtes vorgehen zu können, was für den Be-
troffenen schwere Nachteile zur Folge hat ($$ 6, 137 GO.).
Wien. Privatdozent Dr. Laun.
Rudolf von Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen.
Leipzig und Wien, Franz Deuticke. 1910. 298 S. (9 Mk.)
Auch wenn Verfasser nicht ein Schüler BERNATZIKS wäre, könnte das
Widmungsblatt einer Schrift über das freie Ermessen und seine Grenzen
keinen würdigeren Namen tragen als denjenigen BERNATZIKs. Denn eigent-
lich erst seit dieser Gelehrte in seinem Werke „Rechtsprechung und ma-
terielle Rechtskraft“ S. 46 den bekannten Satz aufgestellt hat, auch das
freie Ermessen sei nichts als die Anwendung der Rechtsnorm: „Tue was
du glaubst, daß es durch das öffentliche Wohl bedingt ist“, hat die Lehre
vom freien Ermessen den Schauplatz des wissenschaftlichen Kampfes be-
treten, um ihn bis heute zu behaupten. Unabhängig davon bereitet die
Grenzziehung zwischen Zweckmäßigkeitserwägung und Rechtsanwendung