Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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zur Vernichtung der angefochtenen Handlung. Verfasser nennt drei Arten 
dieser Ermessensüberschreitungen: 1. den Ermessensmißbrauch, wenn die 
Behörde absichtlich gegen das öffentliche Interesse handelt; 2. die Diskre- 
tionsverletzung, wenn die Behörde mit einer äußerlich einwandfreien Hand- 
lung einen Zweck verfolgt, den sie nicht verfolgen darf, selbst wenn die 
Erreichung des Zwecks im öffentlichen Interesse liegt; 3. die Ermessens- 
verirrung, wenn die Behörde mit ihrer Handlung einen erlaubten Zweck 
anstrebt, in Wirklichkeit aber gegen ihre Absicht einen vom Gesetz ver- 
botenen Erfolg herbeiführt. 
Die Arbeit, die in der Gedankenführung selbständiger ist als die Schrift 
des gleichen Verfassers „Das Recht zum Gewerbebetrieb“ und insofern 
einen Fortschritt bedeutet, liest sich sehr angenehm und imponiert durch 
die Fülle der Zitate. Um so mehr schuldet es der Kritiker der Wissen- 
schaft, auf einige der Bedenken aufmerksam zu machen, die gegen die 
Schrift im ganzen und in den einzelnen Teilen zu erheben sind. 
Mit Recht bemerkt Verfasser, daß das freie Ermessen gleichbedeutend 
sei mit der Freiheit in der Wahl zwischen mehreren Arten des Verhaltens; 
denn da hier nicht die Freiheit der physischen Handlung von physischen 
Hemmnissen in Frage steht, kann mit dem freien Ermessen in der Tat nur 
die Freiheit des Entschlusses gemeint sein. Zu Unrecht schränkt aber Ver- 
fasser seine Definition ein auf die Wahrung des öffentlichen Interesses und 
die Wahl der nächstliegenden Zwecke. Für seine Behauptung führt Ver- 
fasser auch gar keinen Grund an, wie sie denn auch unbeweisbar ist. „Der 
Vormundschaftsrichter‘“, heißt es S. 58, „darf bei seinem sogenannten Er- 
messen nur das Interesse des Mündels im Auge haben.“ Gewiß! aber Ver- 
fasser wird doch nicht behaupten wollen, das Interesse des Mündels sei 
auch nur theoretisch durch Gesetzesauslegung eindeutig bestimmbar; der 
Privatmann, der bei der eigenen Berufswahl sich zu demjenigen Schritte 
entschließt, der ihm nach reiflicher Ueberlegung am besten erscheint, 
handelt sicher nicht in Anwendung des bürgerlichen Gesetzes; darum ist 
es auch nicht Gesetzesanwendung, sondern freie Entschließung, wenn das 
Vormundschaftsgericht etwa nach $ 1629 BGB. bei einer Meinungsver- 
schiedenheit zwischen Vater und Pfleger dasjenige bestimmt, was bei der 
Berufswahl dem Interesse des Kindes am meisten entspricht. Der Gesetzes- 
befehl allerdings, im Interesse des Kindes zu handeln, besteht für den 
Vormundschaftsrichter; den Inhalt dieses Befehls aber schöpft er aus 
eigener Brust. — Etwas naiv heißt es $S. 57f.: „Bei der Strafzumessung ist 
lediglich der vom Gesetz mit der Strafe angestrebte Zweck ... zu ver- 
folgen“. Als ob sich das Gesetz über den Strafzweck äußerte! In Deutsch- 
land wenigstens wird kein Revisionsgericht ein Strafurteil deshalb aufheben. 
weil sich das untere Gericht bei der Strafzumessung auf eine bestimmte 
Strafrechtstheorie stützt; vgl. Entscheidung des Reichsgerichts, I. Straf-Senats. 
vom 23. III. 1908 DJZ. 08 S. 763 f. — Ebensowenig handelt der Richter bei Hand-
	        
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