Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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während sie in Wahrheit frei handeln darf. So hat einmal eine bayerische 
Behörde nach $ 53 Abs. 3 GewO. den Gewerbebetrieb eines Pfandvermittlers 
untersagt, in der irrigen Meinung die Untersagung aussprechen zu müs- 
sen; der bayerische Verwaltungsgerichtshof hob wegen dieser rechtsirr- 
tümlichen Annahme einer rechtlichen Gebundenheit die Untersagung auf 
(5. Juni 1901, Sammlung 1901 S. 192 ff.). Verfasser wäre dann auch viel- 
leicht S. 94 f. der Frage näher getreten, ob es nicht ein subjektives Recht 
des Bürgers darauf gibt, daß die Behörde frei handelt und nicht einge- 
engt durch unrichtig angewandte Rechtssätze. 
Sehr zu billigen sind die Vorschläge des Verfassers S. 248f. über den 
Gebrauch von Hilfszeitwörtern, durch die das Ermächtigtsein zum Handeln 
nach freiem Ermessen de lege ferenda im Gesetze seinen Ausdruck finden 
soll. Doch vermißt man eine Bezeichnung für die Ermächtigung zum 
Unterlassen, die nicht mit der Negation der Wörter können, sollen und 
dürfen, sondern mit den Ausdrücken Nicht-Müssen oder besser Nicht- 
Brauchen wiederzugeben wäre. Uebrigens vergißt Verfasser, daß schon die 
bestehenden Gesetze meistens so klug sind, mit dem richtigen Ausdruck 
das zu sagen, was sie auch sagen wollen; sonst hätte Verfasser wohl nicht 
eine Anzahl deutscher Gesetzesbestimmungen in so seltsamer Weise aus- 
gelegt. $ 1308 Abs. 1 BGB. lautet: „Wird die elterliche Einwilligung einem 
volljährigen Kinde verweigert, so kann sie auf dessen Antrag durch das 
Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das Vormundschaftsgericht hat die 
Einwilligung zu ersetzen, wenn sie ohne wichtigen Grund verweigert wird“. 
Verfasser meint (S. 78), bei grundloser Verweigerung sei das Vormund- 
schaftsgericht zur Erteilung der Einwilligung verpflichtet, in sonstigen 
Fällen der Weigerung unter Würdigung des öffentlichen Interesses an der 
Gründung einer neuen Familie dazu befugt. Daran hat allerdings bisher 
niemand gedacht, am allerwenigsten die Redaktoren des Gesetzes. Der 
erste Satz des $ 1308 BGB. bedeutet vielmehr, das Vormundschaftsgericht 
habe die rechtliche Macht, die elterliche Einwilligung zu ersetzen ; der 
zweite Satz regelt die rechtlichen Voraussetzungen der Einwilligungser- 
klärungen und wurde gerade zu dem Zwecke eingefügt, um das arg. e. 
contr. aus $ 1304 Abs. 2 BGB. zu verhüten, als dürfe der Vormundschafts- 
richter andere Interessen abwägen als diejenigen der Eltern und des Kindes 
(Prot. d. Komm. f. d. 2. Les. d. Entw. d. BGB., Guttentag 1897 Bd. 4 S. 33). 
— Nach $ 6 des Reichsgesetzes vom 4. V. 1870 „kann“ der Beamte aus 
besonders dringenden Gründen von dem Aufgebote ganz dispensieren. Ver- 
fasser meint S. 88 Anm. 1, der Beamte müsse dispensieren. Ungeachtet 
dieser Auffassung wird sich der Beamte auch in dringenden Fällen hüten, 
den Dispens zu erteilen, wenn er vom Aufgebot die Klarlegung eines Ehe- 
hindernisses erwartet. — Nach $ 1316 Abs. 3 BGB. kann von dem Auf- 
gebote Befreiung bewilligt werden. Auch hierin sieht Verfasser ein ge- 
setzliches „Muß“. Jedenfalls bezieht er diese Bestimmung auf Abs. 2 des
	        
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