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erinnern, die bei einer Staatensukzession jedoch deshalb weniger bedeutsam
wird, weil die meisten durch die Inkorporation geschaffenen Beziehungen
nur das Verhältnis zwischen Inkorporierten und Inkorporierenden be-
treffen. In einem zweiten Kapitel schildert der Verfasser die geschicht-
lichen Ereignisse, die zur Annexion Frankfurts führten, wobei ich ihm frei-
lich nicht zustimmen kann, wenn er annehmen zu können glaubt, Frankfurt
habe im Anfang den Standpunkt der Neutralität zu wahren versucht. Das
Gegenteil ergibt sich m. E. aus der bundeswidrigen Abstimmung vom
14. Juni. Und es läßt sich jedenfalls die Tatsache, daß an Frankfurt kein
Ultimatum gerichtet wurde (denn ein solches wurde keinem der süddeutschen
Staaten gestellt), ebensowenig zur Begründung verwerten, wie der auf S, 17
wiedergegebene Wortlaut des Annexionspatents. Ausschlaggebend dürfte
sein. daß das mobilisierte Frankfurter Linienbataillon der Reserve der
Bundesarmee zugezählt wurde. Der Verfasser gibt übrigens selbst zu,
daß sich Frankfurt jedenfalls zur Zeit der Besetzung im Kriegszustand mit
Preußen befand, wie dies ja auch aus den auf S. 18 zitierten Senatserlassen
(die einen unwillkürlich an den Satz: victrix causa deis placuit, sed vieta
Catoni, erinnern!) hervorgeht. Auf das dritte Kapitel, das die Zeit nach
dem Einrücken der Preußen schildert und im Anschluß an die herrschende
Lehre eine gute Uebersicht über Begriff und Wesen des Eroberungsrechts
gıbt, kann hier nicht näher eingegangen werden. Von ganz besonderem
Interesse ist, was uns MICHEL im 4. Kapitel über die schwierige Frage der
Vermögensauseinandersetzung zwischen Preußen und Frankfurt bietet. Denn
es hatten in diesem Stadtstaat die herrschenden Klassen niemals eine
Trennung von Staats- und Stadtvermögen zugelassen. Alles Vermögen
hatte sowohl Staats- als Kommunalzwecken gedient. Demgemäß stellte
sich denn auch im Anfang Preußen auf den Standpunkt, alles Vermögen
sei Staatsvermögen gewesen und daher Eigentum des inkorporierenden
Staates geworden, während Frankfurt umgekehrt das ungetrennte Ver-
mögen auf Grund eines Gutachtens von Zöpfl als Kommunalvermögen auf-
gefaßt wissen wollte. Da eine feste völkerrechtliche Praxis über die zu-
treffende Regelung nicht bestand, so mußte naturgemäß die Auseinander-
setzung im Wege des Vertrages erfolgen. Nach langen Verhandlungen
einigte man sich dahin, daß alle die Objekte, die schon vorher zum Staats-
vermögen gezählt hatten, an Preußen fielen, also insbesondere die Gerichts-
Gefängnis-, Münz- und Zollgebäude und die Kaserne des Frankfurter
Bataillons. Ferner übernahm Preußen als nunmehriger Träger der Finanz-
hoheit Telegraphen und Eisenbahnen (deren Zugehörigkeit zum Kommunal-
vermögen Frankfurt, wie sich aus dem Wortlaut der Staatsverträge ergibt,
zu Unrecht behauptet hatte) jedoch mit Ausnahme der, rein städtischen
Zwecken dienenden Hafenbahn, und endlich die Archive, soweit sie Staats-
archivalien darstellen. Frankfurt verblieb alles Eigentum der ehemaligen
freien Stadt, so insb. der wertvolle Stadtwald. Dagegen gingen hin-