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der Oeffentlichkeit fleckenlos dastehen. Darum muß die Mög-
lichkeit gegeben sein, daß im gerichtlichen Verfahren die Flecken-
losigkeit des Beamten sich erweist oder aber dem Staat die
Grundlagen verschafft werden, gegen den nicht makellosen Be-
amten vorzugehen. Auch prävenierend soll der $ 196 wirken, da
jeder sich hüten wird, eine Beleidigung auszusprechen, die mit
Wahrscheinlichkeit den Strafantrag nach sich zieht; und auch
daran hat der Staat ein Interesse.
Ist ein gleiches Interesse auch vom Staat als privat-
rechtlicher Person anzunehmen? Ein gewisses Interesse
zweifellos; aber dieses Interesse unterscheidet sich in nichts von
dem Interesse, das auch andere Privatpersonen daran haben, daß
ihre Beamten nicht beleidigt werden. Was hier geschützt werden
soll, ist aber gerade nicht dieses allgemeine Interesse, son-
dern das darüber hinausgehende, öffentlich-rechtlicher
Natur. Ein solches ist bei den rein fiskalischen Unternehmungen
nicht anzunehmen. Die Staatsangestellten werden darum von
8 196 nicht getroffen.
Dieses Resultat entspricht auch der Billigkeit, wenn man
die Frage einmal von anderer Seite, vom Standpunkt des Be-
leidigers aus, beleuchtet.
Wer die Ehre eines Staatsbeamten, des Trägers
staatlicher Hoheitsrechte, angreift, muß wissen, daß sein Angriff
über die Person des Beleidigten hinausgeht. Wer dagegen eine
solche Person beleidigt, die ihm in gleicher Funktion auch im
Privatrechtsverkehr entgegentritt, kann sich nur bewußt sein,
diese Person allein anzugreifen. Es ist nicht begreiflich, inwie-
fern es einen Unterschied ausmachen soll, ob jemand den Kas-
sierer der Deutschen Bank oder der Reichsbank, den Lehrer
eines königlichen oder eines privaten Konservatoriums beleidigt,
und es wäre unbillig, sollte der Beleidiger im einen Falle einer
größeren Antragsmöglichkeit ausgesetzt sein als im andern.
Daß dem Staat hier ausnahmsweise die Kirche gleichgestellt
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVII. 4. 37