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Verf., wenn er behauptet, daß solche Personen, welche den „Arbeitsvertrag“
nicht rechtswirksam abschließen können, überhaupt nicht als Fremdenlegio-
näre gelten können und daher auch nicht als Deserteure behandelt werden
dürfen, wenn sie davonlaufen. Solange sie nicht entlassen sind, unter-
stehen sie der französ. Militär- und Gerichtsgewalt, was ja auch der Haager
Schiedsgerichtshof anerkannt hat. Um dem Anreiz zum Eintritt in die
Fremdenlegion zu vermindern, würde eine Herabsetzung der übermäßig
bohen Strafminima des Mil.Strafgesetzb. sich als erfolgreicher erweisen als
alle Interventionen der Reichskonsuln. Auch könnte man die Anwerbung
für die Fremdenlegion nach Analogie des Mädchenhandels unter Strafe
stellen und zwar auch dann, wenn die 'l'at im Auslande verübt worden ist.
Denn wenn die Agenten auch jenseits der Grenze ihren Wohnsitz haben,
so kommen sie doch wohl nicht selten zum Betriebe ihres Gewerbes nach
Deutschland, namentlich nach Elsaß-Lothringen, und können dann dort ab-
gefaßt und bestraft werden. Laband.
Dr. Rich. Zehntbauer, o. Prof. an der Univ. Freiburg i. d. Schweiz, Ver-
fassungswandlungenim neueren Oesterreich. Heidel-
berg 1911 (192 S. 8°).
Das Buch zerfällt in drei Kapitel, von denen das erste Ungarn, die
beiden anderen Böhmen betreffen und die Bestrebungen zur Herstellung der
staatlichen Selbständigkeit behandeln, welche bekanntlich in Ungarn zum
Ziele führten, in Böhmen erfolglos blieben. Durch eine bis in das kleinste
Detail eingehende Erörterung der staatsrechtlichen Vorgänge und der Ten-
denzen, durch welche diese hervorgerufen und beherrscht wurden, wird der
Gegensatz der beiden auf das gleiche Ziel gerichteten Bewegungen veran-
schaulicht und die Verschiedenheit des Resultats erklärt. In Ungarn
ging man von historischen, sei es wirklich gegebenen, sei es vermeintlichen,
Grundlagen aus, welche man teils in der Pragmatischen Sanktion Karls VI.
teils in der Gesamtrichtung, welche die Entwicklung der ungarischen Ver-
fassung genommen hatte, finden zu können glaubte. Der magyarısche
Adel, welcher sich mit der ungarischen Nation identifizierte und die an-
deren Bevölkerungselemente ausschaltete, vertrat seine hergebrachten Rechte
und hielt den nationalen Standpunkt fest. In Böhmen dagegen waren
es die demokratischen Ideen von Freiheit, Gleichheit und Verbrüderung, in
welchen sich Czechen und Deutsche in dem revolutionären Taumel von
1848 zusammenfanden; man stellte die damals überall erhobenen Forderungen
(Preßfreiheit, Versammlungsrecht, Lehr- und Lernfreiheit usw.) auf und ver-
langte namentlich die volle Gleichberechtigung der beiden Sprachen. Da-
zu kam das geschichtlich unberechtigte Verlangen nach der Vereinigung
von Mähren und Schlesien mit Böhmen unter der Wenzelskrone. Dabei
handelte es sich meistens zunächst nur um die Anerkennung allgemeiner