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narius reif, das äußere Ziel nicht oder sehr spät erreichen. Mir erscheint
die Stellung des Extraordinarius dazu bestimmt, gerade die Zeit des Reifens
auszufüllen. Der Sprung vom Privatdozenten zum Ordinarius gelingt ja
wohl in manchen Fällen zum Besten, aber ein Sprung bleibt es immer und
damit ein Wagnis. Vor den Zwischenstufen, die vorkommen, mag ja die
eine oder andere nur dekorativen Wert haben oder ganz entbehrlich sein.
Der etatsmäßige Extraordinarius ist m. E. nicht nur unentbehrlich, wir
bräuchten ihn vielmehr in weit größerer Zahl und in viel planmäßigerer
Vertretung, als es zur Zeit der Fall ist. Wohl gibt es an vielen Universi-
täten Lücken im System der Ordinariate und sind manche Extraordinariate
nur „ersparte Ordinariate“, vor allem aber fehlt es uns an der ausreichen-
den Zahl von besoldeten Extraordinariaten. Die Umwandlung aller be-
stehenden, einem Lehrbedürfnis entsprechenden Extraordinariate in Ordi-
nariate würden unsere Universitäten nicht stärken, sondern einer wichtigen
Zwischenstufe des Nachwuchses berauben und dadurch schwächen. Wasder Ver-
mehrung dringend bedarf, das sind nicht die Ordinariate sondern die Extra-
ordinariate. Aber diese Vermehrung sollte nicht wie bisher vorzugsweise
an den ganz großen Universitäten sondern vielmehr an den mittleren und
kleineren stattfinden. Wenn da und dort die Sorge eines Ordinarius
vor dem jungen Vorlesungskonkurenten einer solchen Stellenvermeh-
rung im Wege steht, so müßte solch schädliches Hemmnis durch die Energie
und Umsicht der Unterrichtsverwaltung überwunden werden. Es ist des-
halb nicht zu beklagen, daß die Zahl der Extraordinariate im Vergleiche
zu derjenigen der Ordinariate sich neuerdings stärker vermehrt hat als
früher, Im Gegenteil! Was jetzt Minderbemittelte vielfach von der Uni-
versitätskariere abhält, das ist nicht die geringe Zahl der Ordinariate son-
dern die geringe Aussicht auf Einkommen als Privatdozent und auf Auf-
steigen zum Extraordinariate. Hochbegabte Söhne unbemittelter Eltern
werden von dieser Karriere leichter angezogen, wenn ihnen nach wenigen
Jahren eine mäßig bezahlte Stelle, als wenn ihnen nach langer Wartezeit,
in der es auch am notdürftigen Einkommen fehlt, endlich eine hochbezahlte
Stelle winkt,
In diesen beiden Richtungen des Interesses der Homogenität des Lehr-
stoffes und des Nachwuchses scheint mir deshalb die Denkschrift des Ver-
bandes der Extraordinarien Preußens das Richtige nicht ganz getroffen zu
haben. Doch ist immerhin auzuerkennen, daß es Extraordinariate gibt,
welche besser in Odinariate umzuwandeln wären. Volle Gleichförmigkeit
an allen großen und kleineren Universitäten wird jedoch auch in diesem
Punkte trotz objektiv gleicher Verhältnisse niemals erreicht werden können.
Die Freizügigkeit der studierenden Jugend gleicht hier manchen Mangel aus.
Piloty.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVII. 4. 40