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schiedenem Sinn gebraucht, ohne daß dies hervortritt. Nach dem HARE-
schen System bedeutet Quotient = Gesamtzahl geteilt durch Sitze, nach
dem HAGenBaAcHschen System bedeutet Quotient (i. e. Verhältniszahl) =
die um die unverwendeten Reste verminderte Gesamtstimmenzahl geteilt
durch Sitze. Die englische, amerikanische und italienische allerdings wohl
nicht sehr erhebliche Literatur ist unberücksichtigt geblieben.
Im ganzen gewinnen wir aus CAHNs Buch die Ueberzeugung, daß dank
des unermüdlichen Ideenkampfes, den namentlich Frankreich für die Ver-
hältniswahl gekämpft und der in Belgien und der Schweiz sich bisher am
energischsten fortgesetzt hat, die Verhältniswahl als Prinzip den theoreti-
schen Sieg schon errungen hat. Erstaunlich langsam folgt hier wie in an-
deren Dingen die praktische Einführung den Anweisungen der Theorie.
Doch ist der Grund begreiflich. Mehrheiten sind es ja, die ihren Besitz-
stand uneingeschränkt und mit dem ihrer Entstehung anhaftenden Absolu-
tismus auch soweit, als ihnen dieser Besitzstand nicht gebührt, zu be-
haupten suchen. Werden sie es so lange tun, bis die Stunde naht, in der
sie sich selbst dem Los der Minderheit verfallen sehen ? Sollte nicht doch da
und dort die Erkenntnis des an sich Besseren ohne diesen äußeren Zwang
schon die Neigung, das Bessere zu ergreifen, zur Reife bringen ?
Piloty.
Gaetano Vitagliano. Il contenuto giuridico della legge del bilancio. Roma,
Officine Tipografiche Italiane, 1910. 439 Seiten.
[Fragment einer Besprechung; letzte, wenige Tage vor dem Tode
begonnene, auf besonderen Wunsch des Verfassers veröffentlichte Arbeit
Georg Jellineks.]
In diesem Werke finden wir eine sorgfältig gearbeitete rechtsver-
gleichende Uebersicht des Etatsrechts der meisten größeren europäischen
Staaten, sowie der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Japans. Nur
weniges ist übersehen, so z.B. daß in den voın Verfasser berücksichtigten
deutschen Mittelstaaten (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden) die Etats-
periode länger ist als ein Jahr. An diese Uebersicht reiht sich eine Dis-
kussion über die Literatur des Budgetrechts, wobei in erster Linie die An-
sichten der deutschen Schriftsteller eingehend dargestellt werden, was da-
mit zusammenhängt, daß die juristischen Fragen, die das Etatsgesetz be-
rühren, in Deutschland viel gründlicher behandelt worden sind als in Eng-
jand, Frankreich und Italien. Von der Unterscheidung des formellen und
materiellen Gesetzes ausgehend, erklärt er das Etatsgesetz nach dem posi-
tiven Recht verschiedener Staaten ganz oder teilweise als rein formelles
oder als materielles Gesetz, das man nicht in die beiden Kategorien zwingen
kann, ohne zu falschen Konsequenzen zu gelangen; es gehe nicht an, all-
Semeine für alle Staaten gültige Sätze über das Etatsrecht aufzustellen.