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vel hodie etiam secundum illa praesupposita civitas constituenda
sit, nos modum constituendi vix nobis aliter imaginari posse.
Ganz die gleichen Gedanken finden sich von Schriftstellern,
deren Ausführungen KAnT gelesen hat, bei BECCARIA!? und bei
HUrELAnND !*, der den Einwand, noch nie seien Staaten durch
Vertrag entstanden, mit den Worten abtut: das könne sein, aber
wenn sie ferner bestehen sollten, so müsse ein solcher Vertrag
entweder ausdrücklich hinzukommen, oder stillschweigend voraus-
gesetzt werden”, Es kommt hier also überall stets auf die Fik-
tion eines historischen Geschehnisses hinaus. Der Vertrag hat
damit allerdings nur mehr ideelle Existenz. Aber darüber hin-
aus sind diese Autoren nicht gegangen.
KAnTs Auffassung soll weiter, wie wiederholt !° in der letzten
Zeit behauptet worden ist, schon in ROUSSEAUs contrat social
erreicht worden sein. Man meint, es sei falsch, eine von der
naturrechtlichen verschiedene Auffassung des (zesellschaftsver-
trags erst der Rechtsphilosophie KAnTs zuzuschreiben !”. Der
Sozialkontrakt bedeute bei ROUSSEAU einen philosophischen Aus-
druck der Idee des Rechts und wolle einen allgemein gültigen
Maßstab liefern, an dem jedes staatlich erlassene Gesetz gerichtet
werden könne und solle; ein Rechtssatz sei dann inhaltlich be-
rechtigt, wenn er dem Gesellschaftsvertrage entspreche!?, Dieser
18 Dei delitti e delle pene, (1764) deutsche Ausgabe (Ueber Verbrechen
und Strafen) von EssELBoRN. 62 u. 63. — Kant erwähnt BECCARIA an-
läßlich der Verteidigung der Todesstrafe in den Metaphysischen Anfangs-
gründen der Rechtslehre (Akademie-Ausgabe VI, 334 f.).
14 Ueber dessen Buch „Versuch über den Grundsatz des Naturrechts®,
(1785) hat Kant in der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 18. April 1786
Sp. 1183—116 referiert.
15 ], c. 282.
16 STAMMLER, Die Theorie des Anarchismus, 14; HAyYMmann, Jean Jac-
ques Rousseaus Sozialphilosophie, 58; LIEPMANN, Die Rechtsphilosopie des
Jean Jacques Rousseau, 95.
17 HAYMANnN |. c. 58.
* STAMMLER |. c. 14.