Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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II. Wir wenden uns zur graduierten Stimmgebung. Legen 
wir ihre frühere Gestalt, wie wir sie z. B. bei BURNITZ und 
VARRENTRAPP erblicken, zugrunde, so ist sie ein höchst unvoll- 
kommenes Verfahren, und zwar deshalb, weil die Stimmgewichte, 
welche der Wähler den einzelnen Kandidaten zuwendet, völlig 
getrennt voneinander sind und sich in keiner Weise zu verbin- 
den vermögen. Erreicht der Kandidat, den ein Wähler in erster 
Linie gewählt wissen möchte, nicht die erforderliche Stimmzahl, 
so hat der Wähler, der diesem Kandidaten 4 Stimmgewicht zu- 
wandte, dies unnütz getan; das gleiche gilt, wenn der von einem 
Wähler mit 1 bedachte Kandidat weit mehr Stimmen erlangt, 
als zu seiner Wahl erforderlich sind. Die frühere graduierte 
Stimmgebung kannte eben eine Eventualstimmgebung noch 
nicht. 
Die Eventualstimmgebung mit dem graduierten Verfahren 
verbunden zu haben, ist ein Verdienst v. WENDTs. Das 
d’Hondtsche Proportionalverfahren hat die Eventualstimmgebung; 
aber man ist hier nicht darüber hinausgekommen , dem Wähler 
einen weiteren Einfluß auf die Bestimmung der Reihenfolge der 
Kandidaten einzuräumen, als daß er einem einzigen der Kandi- 
daten einer Liste eine Vorzugstimme geben kann ?; es sei denn, 
daß man zu dem unsinnigen Verfahren der Panachierfreiheit 
überging!®. Die graduierte Stimmgebung räumt, ihrem Namen 
entsprechend, dem Wähler den weitesten Spielraum in der Ab- 
stufung seiner Sympathien für die einzelnen Kandidaten ein. 
Wie kann der letztere Vorteil mit Eventualsstimmgebung ver- 
derartigen Abrundungen müßte in wissenschaftlichen Untersuchungen stets 
erst die Unschädlichkeit für alle Fälle nachgewiesen werden. 
8 Ueber einen Versuch, der in Frankreich gemacht wurde, s. TECKLEN- 
BURG, Entwicklung des Wahlrechts in Frankreich, 247 f. 
° Belgischer „Code &lectoral“ Art. 259. 
10 Als auf dieses bezogen, müssen die diesbezüglich treffenden Ausfüh- 
rungen W. BUROKHARDTS (Politisches Jahrbuch der schweizerischen Eidge- 
nossenschaft 1910, S. 259) angesehen werden. In den schweizerischen Ge- 
setzen ist dieses Verfahren durchweg angenommen,
	        
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