— 121 —
den Bildes könne man nur durch die Projektion erzielen, würde ihn
aber nicht gewinnen, wenn man die Bilder in rascher Reihen-
folge auf dem Film ansehen würde: Daß dies nicht zutreffend
ist, zeigen schon die sogenannte Wundertrommel, welche ein be-
liebtes Kinderspielzeug ist, sowie die sogenannten Mutoskope, oder
Kinetoskope, bei welchen Apparaten durch eine einfache tech-
nische, Vorrichtung die einzelnen Serienbilder in rascher Reihen-
folge an dem Auge des Zuschauers vorbeigeführt werden. Trotz-
dem hier also die Projektion garnicht in Frage kommt, haben
wir bei diesen Apparaten dennoch vollkommen den Eindruck
des lebenden Bildes. Die Argumente von ÜOoHN und WERTH
können also als durchgreifend nicht erachtet werden, und REICHERT
ist infolgedessen durchaus im Recht, wenn er ihnen gegenüber
an seiner Theorie festhält.e Recht hat er allerdings doch nicht,
aber aus anderen Gründen, wie wir weiter unten sehen werden.
REICHERT ist, soweit ich zu sehen vermag, der einzige,
der das Reichspreßgesetz auf kinematographische Vorführungen
für anwendbar hält. Der entgegengesetzten Ansicht sind eine
ganze Reihe von Schriftstellern, aber mit durchaus voneinander
abweichender Begründung.
(ustı?” meint, die Vorführungen eines Phonographen oder
Kinematographen seien keine Druckschriften, weil sie keinen
„Körper“ hätten und infolgedessen nicht vervielfältigungsfähig
seien. Gusti übersieht bei dieser Argumentation, daß zum Be-
griff einer Druckschrift es nicht erforderlich ist, daß sie verviel-
fältigungsfähig ist, sondern daß es vollkommen genügt, wenn sie
selbt eine Vervielfältigung darstellt. Offenbar richtet sich Gusti’s
Deduktion dagegen, daß die Projektion des Films eine Druck-
schrift sei. Seine Begründung greift aber nicht durch, da es
an sich sehr wohl möglich wäre, in dieser Projektion eine Druck-
" Gustı „Die Grundbegriffe des Preßrechts“ (Abhandlungen des krimi-
nalistischen Seminars an der Universität Berlin“. N. F. Ba. V. Heft 4,
Berlin 1909) 8, 88,