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stellens, „während durch den kinematographischen Apparat ein
neues, bisher nicht vorhandenes Bild eines beweglichen Vorganges
erzeugt und vorgeführt“ werde’. Diesen Standpunkt hat das
Oberverwaltungsgericht in einer neueren Entscheidung aufrecht-
erhalten und des näheren ausgeführt, daß dem Publikum ein
ganz anderes Bild vorgeführt werde als das auf dem Film befind-
liche, nämlich das „lebende Bild“.
Auf demselben Standpunkt wie das Oberverwaltungsgericht
steht CoHn, wenn er, um den Charakter der kinematographischen
Vorführungen als „theatralische Vorstellung“ im Sinne des & 33a
der Reichsgewerbeordnung darzutun, ausführt, daß jedenfalls die
zahlreichen Vorführungen, in welchen Films projiziert würden,
welche nicht Naturereignisse, sondern menschliche Handlungen
wiedergäben, keine „rein bildlichen“ Darstellungen seien. Dann
fährt er fort: „Freilich sind die einzelnen Teile des Films Bilder,
aber durch die rapide Projektion verschmelzen sie sich in un-
serer Vorstellung eben zu einer Bewegung, zur Vorstellung einer
vor uns sich vollziehenden Handlung. Diese Bewegung ist es,
die der rein bildlichen Darstellung sonst abgeht. Sie ist es, die
das an die Wand geworfene Bild zum „lebenden Bild‘, zur
„scene animee“ gestaltet. Diese Belebung, diese Beseelung ist
es, die das Bild zur theatralischen Vorstellung erhebt. Gewiß
diese Handlung ist nur eine scheinbare: wir unterliegen der Sinnes-
täuschung, der Illusion; aber im Effekt, vom Standpunkte des
Zuschauers, ist es doch nicht anders, als sähe er leibliche Men-
schen vor sich und sähe sie handeln“. Auf diese Auffassung spielt
CoHn offensichtlich an, wenn er bei der Behandlung der Zuläs-
sigkeit der Kinematographenzensur gegen REICHERT geltend
macht, die Projektion diene dazu „die Verschmelzung der zahl-
® REGER, Entscheidungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden Bd, 20
S. 569 f.
ı0 „Preußisches Verwaltungsblatt“ Bd. 31 S. 241 ff.; vgl. auch „Deut-
sche Juristenzeitung“ 1910 S. 263.