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Auch ich neige mehr zu der Annahme eines Suzeränitätsverhältnisses, wo-
bei es mir jedoch nicht zutreffend erscheint, dem Sultan das Recht ab-
zusprechen, durch einen neuen Firman einseitig Egypten gewährte Kon-
zessionen auch einseitig zurückzunehmen. Selbst eine Aufhebung oder
Modifizierung des Erbstatthalteramtes, wie es sich aus dem Londoner
Vertrag vom 15. 7. 1840 (Text: s. meine Urkunde zur Geschichte des
Völkerrechts, 1911, I. 225) ergibt, könnte wohl ein Vorgehen der übrigen
Signatäre, nicht aber Egyptens, das sich als Nicht-Signatar in der-
selben Lage befindet, wie 1878 die Balkanstaaten, wegen Vertragsver-
letzung zur Folge haben. Doch möchte ich nicht soweit gehen, des-
wegen allein Egypten nur als Provinz zu bezeichnen (so DESPAGNET
a. a. OÖ. S. 164), denn jedenfalls trägt die gegenwärtige Rechtslage
Egyptens mehr die Züge eines abhängigen Staates als einer Provinz.
Eine Untersuchung in der Richtung einer scharfen Abgrenzung zwischen
beiden Gebilden wäre ein dankenswertes Unternehmen. — „La circulation
a6rienne et les droits des Ktats en temps de paix“ betitelt sich ein Auf-
satz PAUL FAUCHILLES, der eine Art Denkschrift für die Vorschläge dar-
stellt, die FAUCHILLE als Berichterstatter dem Institut de droit inter-
national in seiner vorjährigen Pariser Konferenz (wiedergegeben in der
Revue S. 163—169, 607, 608, besonders aber im „Annuaire de l’institut de
droit international“, 1910, S. 297—310), vorgelegt hat. Kritische Prüfung
der beiden Möglichkeiten: Freiheit der Luft oder Herrschaft des Staates,
über dessen Territorium sich die betreffende Luftzone befindet, führt
FAUCHILLE dazu, erstere zwar als Regel aufzustellen, jedoch gewissen Ein-
schränkungen zu unterwerfen, die im wesentlichen darauf abzielen, den
Staat vor Spionage, Einschleppung von Krankheiten und wirtschaft-
lichen Schädigungen (Schmuggel!) zu schützen. Seinen vortrefflichen Aus-
führungen kann im wesentlichen nur zugestimmt werden. — Bedeutsam
mit Rücksicht auf die demnächstige (III.) Haager Konferenz ist PoLITIs,
„Avenir de la mediation“ (S. 136 bis S. 163). Anknüpfend an frühere Vor-
schläge von BAr empfiehlt er die Aufstellung einer Liste von Vermittlern,
aus denen im Bedürfnisfall die streitenden Teile die ihnen geeignet er-
scheinenden Persönlichkeiten auszuwählen hätten. Im übrigen bedeutet die
Abhandlung eine wertvolle Bereicherung der Lehre von der Vermittlung,
der leider nicht immer die Bedeutung beigelegt wird, die sie verdient. —
ENGELHARDTs „Question des peages fluviaux en Allmagne au double point
de vue national et international“ (S: 197—201 und 609-614) enthält mehr
eine völkerrechtsgeschichtliche Darstellung der Materie als eine Unter-
suchung über die Zulässigkeit der Schiffahrtsabgaben.
Mit den internationalen Strömen beschäftigt sicht auch v. Bar „L’ex-
ploitation industrielle des cours d’eau internationaux au point de vue du
® Insoweit korrigiere ich meine Auffassung Urkunde I S. 227 Anm. 1.