— 157 —
des Dienstbefehls, Mangel aller Formvorschriften für die Befehlserteilung
— auf ein Minimum :: Nur wo der Befehlende überhaupt nicht Vorgesetzter
oder wo das Anbefohlene in keinem Sinne mehr ein dienstliches Verhalten
darstellt, erreicht die Gehorsamspflicht (und damit zugleich die Unverant-
wortlichkeit des Ausführenden) ihr Ende. Nichts anderes als ein Form-
erfordernis, von dessen Einhaltung die Rechtmäßigkeit der Befehlserteilung
abhängt, tritt uns nun aber in der Kontrasignatur aller Anordnungen des
unverantwortlichen Monarchen entgegen. Aus dem Mangel einer Prüfungs-
befugnis solcher Formalien ergibt sich für den Soldaten die Verbindlich-
keit auch unkontrasignierter Ordres unbeschadet ihrer Verfassungswidrig-
keit. Das Resultat ist dieses: Von dem Erfordernis der Kontrasignatur
Allerböchster Willenskundgebungen gibt es schlechthin keine Ausnahme.
Ein Regierungsakt des Monarchen, dem die Gegenzeichnung fehlt, ist —
welchen Inhalt er auch habe — verfassungsrechtlich fehlerhaft. Trotzdem
kann er gewisse Rechtswirkungen erzeugen; er kann sogar verbindlich sein
— freilich nur für solche Untertanen, denen ein Recht zur Prüfung der
formellen Korrektheit nicht zusteht. Eben dieses trifft auf die Personen
des Soldatenstandes — weiter darf der Kreis nicht gezogen werden — zu.
Darin liegt des Rätsels Lösung!
Die Richtigkeit der dargelegten Konstruktion erschien nun weiter ab-
hängig von dem Nachweise, daß die Fehlerhaftigkeit eines Staatsakts nicht
notwendig dessen volle Ungültigkeit zur Folge haben müsse; daß sogar
trotz des entgegenstehenden Wortlauts des Art. 17 der RV. und der korre-
spondierenden Verfassungsbestimmungen der Einzelstaaten auch die Gegen-
zeichnung des verantwortlichen Ministers nicht eigentlich die Gültigkeit,
sondernnurdie Vollziehbarkeit des Allerhöchsten Erlasses bedinge; daß mit-
hin wegen der verschiedenartigen Gehorsamsstellung der Untergebenen ein
und derselbe Befehl den Soldaten gegenüber verbindlich, den Beamten gegen-
über unverbindlich sein und daraus letzten Endes ein Konflikt resultieren
könne ähnlich den, den die Versagung der zu spät eingeholten Geneh-
migung des Parlaments zu bereits ratifizierten, in den Bereich der Gesetz-
gebung einschlagenden Staatsverträgen erzeuge; daß endlich für die Ver-
antwortlichkeit des Ressortministers weder die Gegenzeichnung (konstitutiv)
begründend noch etwa der Mangel der Gegenzeichnung befreiend wirke und
es deshalb ein gänzlich fruchtloses Bemühen sei, die Kontrasignaturlosig-
keit der „AB.“ durch eine Beschränkung der Zuständigkeit des Kriegs-
ministers oder umgezehrt die Exemtion des Militärkabinets unter Hinweis
auf die den konstitutionellen Garantien entrückten Akte der Kommando-
gewalt legalisieren zu wollen. Vielmehr umfasse die Verantwortlichkeit des
Ministers nach Maßgabe des uneingeschränkt durchgeführten Realsystems
sein gesamtes Ressort; sie werde begründet durch die in beliebiger Form
zum Ausdruck gelangende Billigung der Maßnahmen des Monarchen, für
welche die Gegenzeichnung nur ein besonders geeignetes Beweismittel bilde;