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Diese Abmachungen der einzelnen deutschen Bundesstaaten,
deren Kontingente in der preußischen Armee aufgingen, ebenso
das selbständige Vorgehen von Bayern, Württemberg und Sach-
sen berechtigen die Fragestellung, wem die Kompetenz zum Er-
laß derartiger Bestimmungen eignet, ob der Reichs-, der Lan-
des-, oder Kirchlicher (desetzgebung. Folgendes dürfte das Rich-
tige treffen: Das Deutsche Reich hat keine unmittelbare
gesetzgebende Gewalt in kirchlichen Angelegenheiten. Dieselbe
ist somit der Landes- bezw. kirchlichen Gesetzgebung überlassen.
Das Reich hat sich aber eine mittelbare Kompetenz in
kirchlichen Angelegenheiten zugeschrieben, insofern die kirch-
liche Angelegenheit mit einer anderen Angelegenheit, zu deren
Regelung das Reich auf Grund des Art. 4 der Reichsverfassung
kompetent ist, in Zusammenhang steht. Im einzelnen besteht
jedoch Streit darüber, wieweit diese mittelbare Kompetenz geht.
Das kam mehrfach zum Ausdruck bei den Verhandlungen über
den sog. Toleranzantrag im Dezember 1900, Januar 1902 und
weiter.
Nun unterliegt aber nach Art. 4 Nr. 14 der Beaufsichtigung
und der Gesetzgebung des Reiches das Militärwesen und die
Kriegsmarine. Im Zusammenhang damit steht aber die Militär-
seelsorge. Es ist somit eine mittelbare Kompetenz des Reiches
hier gegeben. Das Reich hat aber bis jetzt von dieser Kompe-
tenz keinen Gebrauch gemacht, sondern die Regelung der Lan-
desgesetzgebung den einzelnen Bundesstaaten in Verbindung mit
den betreffenden Kirchenverfassungen überlassen. Damit hat
das Reich diese seine konkurrierende Kompetenz keineswegs
aufgegeben, es kann jederzeit von diesem ihm zustehenden Ge-
setzgebungsrecht Gebrauch machen und es dürfte in Erwägung
zu ziehen sein, ob letzteres nicht mehr am Platze sei als die
Regelung durch die vielen Kontingentsherrn des Deutschen
Reiches !®,
19 4, MEYER, Lehrbuch d. deutschen Staatsrechtes 1905 S. 720 ff.