Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Diese Abmachungen der einzelnen deutschen Bundesstaaten, 
deren Kontingente in der preußischen Armee aufgingen, ebenso 
das selbständige Vorgehen von Bayern, Württemberg und Sach- 
sen berechtigen die Fragestellung, wem die Kompetenz zum Er- 
laß derartiger Bestimmungen eignet, ob der Reichs-, der Lan- 
des-, oder Kirchlicher (desetzgebung. Folgendes dürfte das Rich- 
tige treffen: Das Deutsche Reich hat keine unmittelbare 
gesetzgebende Gewalt in kirchlichen Angelegenheiten. Dieselbe 
ist somit der Landes- bezw. kirchlichen Gesetzgebung überlassen. 
Das Reich hat sich aber eine mittelbare Kompetenz in 
kirchlichen Angelegenheiten zugeschrieben, insofern die kirch- 
liche Angelegenheit mit einer anderen Angelegenheit, zu deren 
Regelung das Reich auf Grund des Art. 4 der Reichsverfassung 
kompetent ist, in Zusammenhang steht. Im einzelnen besteht 
jedoch Streit darüber, wieweit diese mittelbare Kompetenz geht. 
Das kam mehrfach zum Ausdruck bei den Verhandlungen über 
den sog. Toleranzantrag im Dezember 1900, Januar 1902 und 
weiter. 
Nun unterliegt aber nach Art. 4 Nr. 14 der Beaufsichtigung 
und der Gesetzgebung des Reiches das Militärwesen und die 
Kriegsmarine. Im Zusammenhang damit steht aber die Militär- 
seelsorge. Es ist somit eine mittelbare Kompetenz des Reiches 
hier gegeben. Das Reich hat aber bis jetzt von dieser Kompe- 
tenz keinen Gebrauch gemacht, sondern die Regelung der Lan- 
desgesetzgebung den einzelnen Bundesstaaten in Verbindung mit 
den betreffenden Kirchenverfassungen überlassen. Damit hat 
das Reich diese seine konkurrierende Kompetenz keineswegs 
aufgegeben, es kann jederzeit von diesem ihm zustehenden Ge- 
setzgebungsrecht Gebrauch machen und es dürfte in Erwägung 
zu ziehen sein, ob letzteres nicht mehr am Platze sei als die 
Regelung durch die vielen Kontingentsherrn des Deutschen 
Reiches !®, 
19 4, MEYER, Lehrbuch d. deutschen Staatsrechtes 1905 S. 720 ff.
	        
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