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hauptsächlich kirchliche Angelegenheit — daher wurden der-
artige Anstalten domus religiosae genannt —, und in bezug auf
die religiösen Bedürfnisse der staatlichen Strafanstalten waren
die Anordnungen der Kirche hier gegenüber den Staaten mab-
gebend. Seit der Reformation ist jedoch das Armen-, Kranken- etc.
Wesen staatliche, bezw. gemeindliche Angelegenheit geworden
und in bezug auf die Strafanstalten behauptet heute der Staat
gegenüber der Kirche seine selbständige Stellung ??,
Die Ausbildung der Seelsorge an diesen Anstaltsgemeinden
ist nicht erfolgt durch die Kirche, sondern durch die Staats-
gewalt und zwar vielfach in einseitiger Weise ohne vorheriges
Benehmen mit den kirchlichen Behörden. Die Anstellung der
Anstaltsgeistlichen erfolgt nicht durch die kirchlichen, sondern
durch die staatlichen Behörden. Es handelt sich bei dieser An-
gelegenheit um katholisches Staatskirchenrecht in weittragender
Bedeutung und es muß nachdrücklich hervorgehoben werden,
daß die katholischen Kirchenbehörden hier die kirchlichen An-
sprüche zur Geltung zu bringen bisher verabsäumt haben. Die
Ausbildung der Seelsorge an diesen Anstalten ist partikular-
rechtlich eine ganz verschiedene, sie ist über unvollkommene
Anfänge seither nicht hinausgekommen und harrt noch ihrer
Vollendung. Bisher ist dieser eigenen Seite des katholischen
Kirchenrechts von wissenschaftlicher Seite keine Bearbeitung zu
teil geworden; die folgende Abhandlung kann nach dem gegen-
wärtigen Stande der Entwicklung nur die wenigen vorhandenen
partikularrechtlichen Produkte anführen, möchte aber die interes-
sierten kirchlichen wie staatlichen Kreise auf das wichtige Rechts-
institut aufmerksam machen.
Il. Die Anstaltsgemeindenin Preußen.
1. Das Preuß. Allgemeine Landrecht hat unter dem Titel:
„Von Armenanstalten und anderen milden Stif-
22 (4, MEYER, Lehrb. d. Staatsr. 706 fi.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVIII 2/3. 14