Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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der alten germanischen Volksgemeinde finden wir doch in ihnen 
noch erhalten. Sie haben dadurch ihren Charakter verloren, 
daß manche sich freiwillig einem benachbarten Schirmherrn 
unterwarfen und die meisten vom Kaiser an Reichsfürsten und 
Reichsstädte verpfändet wurden, was sie zwar der Reichsunmittel- 
barkeit nicht beraubte, aber zur Folge hatte, daß sie nicht wie- 
der eingelöst, daß ihre Freiheiten nicht bestätigt und daß sie 
durch die Pfandinhaber nach und nach zu landesherrlichen Dör- 
fern umgebildet wurden. Die Auflösung des Reichs im Zeit- 
alter Napoleons machte schließlich den Freien Dörfern und 
Reichsdörfern ganz ein Ende. 
Der Verfall der Stadt- und Dorffreiheit 
vollzog sich ungefähr in derselben Weise auch in den andern 
Ländern der ehemaligen karolingischen Monarchie. Es mag hier 
genügen, von Frankreich zu sprechen, wo der Staat syste- 
matischer als sonstwo zentralisiert worden ist und neben dem 
König ein Reichsbeamtentum die Rechte der Stände sozusagen 
in sich aufsog. Noch im 15. Jahrhundert wählte in den Städten 
das Volk die Beamten, es wurde auch zuweilen um Rat gefragt 
und man legte ihm Rechenschaft ab. Auch im 17. Jahrhundert 
geschieht dies noch mitunter, aber im 18. sitzen in den Räten 
der Städte nur noch die Vertreter vornehmer Familien, die nicht 
mehr das Volk wählt und die eine nur scheinbare Gewalt aus- 
üben, welche tatsächlich in den Händen der Vertreter des 
Staates, der Intendanten, liegt. In gleiche Abhängigkeit gerieten 
die Dörfer, die Kirchspiele. Im Mittelalter standen sie zwar 
unter ihren Oberherrn, aber sie wählten auf Zeit ihre Vorsteher 
und über ihre Verwaltungsangelegenheiten beschloßen sie in ge- 
meinsamer Versammlung. Auch im 18. Jahrhundert gibt es noch 
solche Gemeindevorsteher, in der Regel zwei, den collecteur und 
den syndic, doch beide sind bloße Instrumente in den Händen 
der Staatsbeamten. „Une paroisse*, sagte damals TURGOT, „est 
un assemblage de cabanes et d’habitants non moins passifs qu’el-
	        
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