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in dem Falle, daß staatliches Recht sich im Widerspruche mit
dem Völkerrechte befinden sollte. Richter, Vollstreckungsorgane
und Justizverwaltung sind auch an völkerrechtswidriges Landes-
recht gebunden, und ein völkerrechtlich unzulässiges Verfahren
ist nicht um dieses Gegensatzes zum Völkerrechte willen, sondern
nur dann und nur insoweit ohne Wirkung, als es dem staatlichen
Rechte zuwiderläuft. Wenn die Konfliktsbegründung das gegen
den russischen Fiskus ergangene Urteil für nichtig erklärt, weil
es den völkerrechtlichen Grundsätzen widerspricht, so ist das
zum mindesten mißverständlich. Der Verstoß gegen das inter-
nationale Recht macht die Handlung einer staatlichen Behörde
für sich allein noch nicht zu einer „nichtigen“. Vegl.:
TRIEPEL, Völkerrecht und Landesrecht (1899), 8. 11 ff., 112, 120 ff.,
263 ff., 399 Anm. 1.
Freilich — der Staat als Rechtsquelle ist gebunden an das
Völkerrecht. Er ist verpflichtet, sein Recht den Anforderungen
der internationalen Rechtsordnung gemäß zu gestalten. Und für
den der europäischen Rechts- und Kulturgemeinschaft angehöri-
gen Staat wird im Zweifel davon auszugehen sein, daß er sich
dieser Pflicht entsprechend verhalten habe. Daher sind staat-
liche Gesetze im Zweifel so auszulegen, daß sie in Einklang mit
den Satzungen des Völkerrechts gebracht werden können. Da-
her sind aber auch Lücken der Landesgesetzgebung auf den für
die Rechtsanwendung zugänglichen Wegen der Konsequenz und
der Analogie, wenn irgend möglich, in der Weise auszufüllen,
daß das Schweigen des Gesetzgebers nicht als Ablehnung, son-
dern im Gegenteil als Verlangen völkerrechtsgemäßen Verhaltens
der staatlichen Organe gedeutet wird. Vgl.:
TRIEPEL, a. a. O. S. 397 ff.
LOENIng, Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und Souveräne
(1908), 8. 77 E.
Eben dies kommt nun für die Entscheidung der Frage in
Betracht, ob und inwieweit nach unserem Rechte ein fremder
Staat der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sei. Die Reichs-