Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

— 219 — 
in dem Falle, daß staatliches Recht sich im Widerspruche mit 
dem Völkerrechte befinden sollte. Richter, Vollstreckungsorgane 
und Justizverwaltung sind auch an völkerrechtswidriges Landes- 
recht gebunden, und ein völkerrechtlich unzulässiges Verfahren 
ist nicht um dieses Gegensatzes zum Völkerrechte willen, sondern 
nur dann und nur insoweit ohne Wirkung, als es dem staatlichen 
Rechte zuwiderläuft. Wenn die Konfliktsbegründung das gegen 
den russischen Fiskus ergangene Urteil für nichtig erklärt, weil 
es den völkerrechtlichen Grundsätzen widerspricht, so ist das 
zum mindesten mißverständlich. Der Verstoß gegen das inter- 
nationale Recht macht die Handlung einer staatlichen Behörde 
für sich allein noch nicht zu einer „nichtigen“. Vegl.: 
TRIEPEL, Völkerrecht und Landesrecht (1899), 8. 11 ff., 112, 120 ff., 
263 ff., 399 Anm. 1. 
Freilich — der Staat als Rechtsquelle ist gebunden an das 
Völkerrecht. Er ist verpflichtet, sein Recht den Anforderungen 
der internationalen Rechtsordnung gemäß zu gestalten. Und für 
den der europäischen Rechts- und Kulturgemeinschaft angehöri- 
gen Staat wird im Zweifel davon auszugehen sein, daß er sich 
dieser Pflicht entsprechend verhalten habe. Daher sind staat- 
liche Gesetze im Zweifel so auszulegen, daß sie in Einklang mit 
den Satzungen des Völkerrechts gebracht werden können. Da- 
her sind aber auch Lücken der Landesgesetzgebung auf den für 
die Rechtsanwendung zugänglichen Wegen der Konsequenz und 
der Analogie, wenn irgend möglich, in der Weise auszufüllen, 
daß das Schweigen des Gesetzgebers nicht als Ablehnung, son- 
dern im Gegenteil als Verlangen völkerrechtsgemäßen Verhaltens 
der staatlichen Organe gedeutet wird. Vgl.: 
TRIEPEL, a. a. O. S. 397 ff. 
LOENIng, Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und Souveräne 
(1908), 8. 77 E. 
Eben dies kommt nun für die Entscheidung der Frage in 
Betracht, ob und inwieweit nach unserem Rechte ein fremder 
Staat der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sei. Die Reichs-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.