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Anerkennung gegenseitiger Unabhängigkeit und Selbständigkeit
gleichgeordneter Staaten. Das ist nicht etwa nur eine auf natur-
rechtlicher Grundlage erwachsene oder aus dem „Begriff“ des
Völkerrechts abgezogene Behauptung, sondern ein Satz, aus dem
sich allein eine ganze Reihe unbestrittener Institute des völker-
rechtlichen Lebens in Frieden und Krieg erklären läßt. Soweit
daher nicht durch besondere Vereinbarung von Staat zu Staat
eine Erstreckung der Justizhoheit des einen über den andern
gestattet worden ist, — was in unserem Falle nicht zutrifft, —
muß es nach Völkerrecht grundsätzlich als ausgeschlossen gelten,
daß sich die Gerichte eines Staates oder die Organe seiner
‚Ziwangsvollstreckung irgendwelche Autorität über den Auslands-
staat anmaßen. Und dabei ist es ganz gleichgültig, ob das
Rechtsverhältnis, für das eine gerichtliche Kognition in Frage
kommt, ein öffentlich-rechtliches oder ein privatrechtliches dar-
stellt, mit anderen Worten: ob der ausländische Staat als Sub-
jekt staatlicher Hoheit oder als Inhaber privater Rechte, als
„Fiskus“ — wie man sich nicht ganz richtig auszudrücken pflegt
— beim Rechtsverhältnisse beteiligt ist. Denn ganz abgesehen
von der praktischen Schwierigkeit einer solchen Unterscheidung,
die sich in zahlreichen Fällen und gerade hier einstellt, wo es
sich um ausländische Staaten und um Verhältnisse handelt, die
nach ausländischem Rechte zu beurteilen sind, so ist auch der
fremde „Fiskus“ doch immer der fremde Staat, der einer aus-
wärtigen Gerichtsbarkeit und vor allem einer ausländischen
Zwangsvollstreckung nicht ohne Einbuße seiner Unabhängigkeit
unterworfen werden könnte.
In diesem Sinne hat sich auch ein sehr großer Teil ange-
sehenster Völkerrechtslehrer ausgesprochen. Ich erwähne von
deutschen Schriftstellern :
v. HOLTZENDORFF, Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und
Volkswirtschaft. N. F. Bd. 1, 8. 179 £f.
HEFFTER-GEFFOKEN, Europäisches Völkerrecht, 8. Aufl. (1888), 8. 84.
GAREIS, Institutionen des Völkerrechts, 2. Aufl. (1901), S. 97.