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müssen, sondern schon daraus, daß hiermit in der Tat dem
Kläger nicht mehr zugemutet wird, als er sich durch die An-
stellung der Klage auferlegen will. Vgl. die
Begründung zu dem oben erwähnten deutschen Gesetzentwurf von
1885; Drucksache Nr. 114.
Daraus muß sich ergeben, daß die Frage der Zulässigkeit
einer Widerklage vom völkerrechtlichen Standpunkte aus nicht
schlechthin verneint und nicht schlechthin bejaht werden kann.
Wenn und soweit nach dem Prozeßrechte des angerufenen Ge-
richtes die Widerklage nichts anderes als ein in demselben
Rechtsstreit geltend gemachtes Verteidigungsmittel darstellt, so
wird sie als statthaft angesehen werden müssen. Ist sie dagegen
nach jenem Rechte mehr als ein prozessuales Abwehrmittel, be-
deutet sie die Anstrengung einer besonderen, nur äußerlich mit
dem „Vorprozesse“ verbundenen Klage, so muß im Zweifel das
Gegenteil gelten. In diesem Falle würde die Nötigung, sich der
Widerklage zu stellen, den fremden Staat zu einer Unterwerfung
unter ausländische Justizhoheit in größerem Umfange zwingen,
als seinem in der Klageerhebung ausgesprochenen Willen ent-
spricht. Denn es kann schlechterdings nicht ohne besondere
Umstände — wohin natürlich auch wieder ausdrückliche Ge-
nehmigung, Einlassung auf die Widerklage oder andere schlüssige
Handlungen gehören würden — einfach vermutet werden, der
klagende Staat wolle durch die Anrufung des auswärtigen Ge-
richts seinem Widerpart die Gelegenheit geben, ihn mit jeder
denkbaren, gut oder schlecht begründeten Gegenklage auf gut
Glück anzugreifen. Solche Annahme ist wirklich, wie man ge-
sagt hat, eine „willkürliche und haltlose Erfindung“.
GAUPP-STEIN, Zivilprozeßordnung, 8. und 9. Aufl. (1906), S. 100.
Die bisherigen Erörterungen haben die Frage der Gerichts-
barkeit über fremde Staaten zunächst lediglich vom Standpunkte
des Völkerrechts behandelt. Nach den im Eingange dieses Ab-
schnittes enthaltenen Ausführungen sind sie aber ohne weiteres
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