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3. Die auf dem Versäumnisurteile fußende Pfändung des
dem russischen Fiskus gegen das Bankhaus Mendelssohn & Co.
in Berlin zustehenden Guthabens war in bezug auf sämtliche
Widerklageansprüche völkerrechtlich unzulässig, Sie war aber
— vorbehaltlich der weiteren Prüfung, ob die „Rechtskraft“ des
Versäumnisurteils sie rechtfertigen konnte — auch landesrecht-
lich unzulässig.
III.
Gegen das Versäumnisurteil vom 27. September 1909 ist
innerhalb der Einspruchsfrist kein Einspruch erhoben worden.
Die Entscheidung ist nach Prozeßrecht unanfechtbar, formell
rechtskräftig geworden. Es fragt sich, ob aus diesem Grunde
die sonst verbotene Pfändung zu einer rechtmäßigen geworden ist.
Die Frage ist aus drei, von einander unabhängigen Gründen
zu verneinen.
1.
Es ist zu behaupten, daß das in Rede stehende Urteil des
Kaiserlichen Gerichts in Tsingtau, soweit es den Kläger und
Widerbeklagten zur Zahlung von drei Millionen verurteilte, wegen
Ueberschreitung der Grenzen deutscher Gerichtsbarkeit nach
deutschem Rechte nichtig ist.
Allerdings — nach der gegenwärtig in der deutschen Doktrin
noch herrschenden Meinung soll es eine „absolute Nichtigkeit“
von Zivil- wie Strafurteilen nicht geben, soll ein formell rechts-
kräftiges, also durch Rechtsmittel nicht mehr anfechtbares Urteil
— vorbehaltlich seiner Beseitigung im Wege der Wiederauf-
nahme des Verfahrens — niemals „unheilbar nichtig“ sein kön-
nen. Vgl. z. B.:
v. Krızs, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts (1892), S. 761
KLEINFELLER, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts (1905)
S. 232, 521.
PLANCK, a. a. O. Bd. 2, 8. 565.
R. ScHmivDT, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl.
(1906), S. 684 f.