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Richter über eine Person, die nach dem Rechte seines Landes
der Gerichtsbarkeit nicht unterworfen ist, so urteilt er nichtig.
Es handelt sich hier nicht bloß um heilbare Verletzung einer
Zuständigkeitsnorm. Gerichtsbarkeit ist mehr als Zuständigkeit.
Ueber diese kann paktiert werden, über jene nicht. „Die Ge-
richtsbarkeit an sich muß über jemanden begründet sein, ehe die
Frage aufgeworfen werden kann, durch welche Gerichtsbehörde
sie verwirklicht wird.“
LABAND, Staatsrecht des deutschen Reiches, 4. Aufl., Bd. 3 (1901),
S. 367.
Richten ohne Gerichtsbarkeit ist nicht nur obrigkeitliches Handeln
ohne staatlichen „Auftrag“, sondern Handeln ohne Legitimation.
Nimmt der Staat eine Person von staatlicher Gerichtsbarkeit
aus, so spricht er sich selbst und damit jedem Gerichte die Fähig-
keit zur Judikatur über sie ab. Er wird diesen Verzicht auf
die Ausübung seiner Gerichtsgewalt nur aus sehr dringenden
Gründen des öffentlichen Interesses aussprechen — aus Gründen
der Staatsverfassung oder in Erfüllung völkerrechtlicher Pflichten.
So bei „exterritorialen“ Personen, bei ausländischen Souveränen,
Gesandten, Truppenteilen. So auch in bezug auf ausländische
Staaten selbst. Wenn er aber den Ausnahmerechtssatz eingeführt
hat, so schlägt dessen Kraft das ihm zuwider laufende Urteil
nieder. „Gerichtsbarkeit ist Voraussetzung für die Gültigkeit
des Prozesses.“ Vgl.:
BINDING, a. a. O. S. 239.
KoHLer, Prozeß als Rechtsverhältnis, S. 53, 54f.
DERSELBE in v. HOLTZENDORFF-KOHLERs Enzyklopädie, Bd. 2, 8. 139.
FRIEDLÄNDER, Gerichtssaal, Bd. 58, S. 365, 368.
GAUPP-STEIN, a. a. O. Bd. 2, S. 151.
v. BALIGAND, Gerichtssaal, Bd. 72 (1908), S. 222 ff.
FLEISCHMANN, a. a. Ö. Sp. 54.
Treffen diese Erörterungen das Richtige, so war das Ver-
säumnisurteil vom 27. September 1909, soweit es den russischen
Fiskus zur Zahlung von drei Millionen an den Beklagten und
Widerkläger verurteilte, null und nichtig. Es ist insoweit nie-