2719 —
politische Gewalt aus. Unter der letztern ist auch sein Recht
zu verstehen, die Könige zu wählen und abzusetzen. Zu Lag-
männern, wörtlich Gesetzesmännern, die das Amt von Richtern
übten, ernannte es freie ansässige Bauern. „Den Lagmann sollen
alle Bauern erwählen mit Gottes Beistand“ sagt das Westgoten-
gesetz. Und diese Lagmänner gelten sozusagen als Tribune des
Volkes, die es gegen die Obern zu schützen haben. Lange Zeit
ist es den ÖOberkönigen nicht gelungen, die Macht des Volkes
einzuschränken, und ein Vorgang aus der schwedischen Ge-
schichte, bei dem wir einen Augenblick verweilen wollen, zeigt
mit besonderer Deutlichkeit, wie abhängig der Oberkönig vom
Volkswillen war. Am Anfange des 11. Jahrhunderts weigerte
sich König Olaf, genannt Schooßkönig, einen Frieden mit Nor-
wegen zu schließen, während in Schweden die Volksstimmung
die Beendigung des Krieges wünschte. Auf der allgemeinen
Volksversammlung, dem Upsala-Thing, erschien auch ein Ge-
sandter Norwegens und wollte der Versammlung die Wünsche
seines Landes vortragen, Olaf aber gebot ihm Schweigen, und
als darauf der Gesandte Unterstützung fand, geriet der König
in Zorn und sprach von Verräterei. Jetzt erhob sich der Richter
über Thiundaland, Thorgny Thorgnys Sohn, erzählte von den
ruhmvollen Taten und der Volkstreue der früheren Könige,
schalt den Eigensinn und die Anmaßung Olafs und drohte ihm:
„Wenn du unsere Ratschläge verwirfst, so werden über dich
herfallen und dich tödten. Unsere Väter haben lange vor uns
so gehandelt, als sie fünf Könige, die von Stolz und Uebermut
aufgeschwollen waren wie du, auf dem Thing von Mora in eine
Wassergrube stürzten“. Zu dieser Rede spendete ihm das Volk
Beifall durch Geräusch und das Zusammenschlagen der Waffen,
worauf Olaf kleinlaut versprach, wie die schwedischen Könige
es von jeher getan hätten, auf den Willen des Volkes zu achten.
Als er aber nachher die Ausführung der Thingbeschlüsse doch
zu hintertreiben suchte, wurde ihm sein Sohn an die Seite ge-
9%