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Die Jaluitverordnung war jedoch gemäß 8 1 Satz 2 der
Kaiserlichen Verordnung vom 15. Oktober 1886 nach Erlaß dem
Reichskanzler in Abschrift mitzuteilen, der zu ihrer Aufhebung
aus derselben Vorschrift ohne weiteres zuständig gewesen wäre.
Da die Jaluitverordnung eine Aufhebung nicht erfahren hat,
andererseits an ihrer Vorlegung beim Reichskanzler nicht wohl
zu zweifeln ist, so muß angenommen werden, daß bei den be-
teiligten Reichsämtern eine Beanstandung nicht erfolgt ist; die
Gründe dafür liegen freilich nicht zu Tage.
Ueber das Strafverfahren äußert sich die Jaluitver-
ordnung nicht. Insbesondre nimmt sie keine Stellung zu der
Frage der Anwendbarkeit des administrativen Prozesses nach
88 34—45 des RPostG. Ein Mangel ist hierin nicht zu erblicken ;
denn das im RPostG. beschriebene Verfahren setzt als Straf-
verfolgungsbehörde die höhere Provinzial-Postbehörde (Ober-Post-
direktion) voraus. Eine solche ist aber im Schutzgebiete der
Marschallinseln nicht vorhanden, und auch die Ober-Postdirektion
in Bremen, der das bezeichnete Schutzgebiet in bezug auf den
laufenden Dienst und das Abrechnungswesen unterstellt ist, kann
hierfür nicht in Frage kommen. Es findet daher gemäß $ 20
des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes, weil es an den erforderlichen
Einrichtungen im Schutzgebiete mangelt, nicht der Spezialprozeß
des RPostG., sondern, wie die Jaluitverordnung dies still-
schweigend vorauszusetzen scheint, der ordentliche Rechtsweg statt.
* % *
Das in der Jaluitverordnung befolgte System fand Nach-
ahmung im Schutzgebiete der Samoainseln, als letzteres im Jahre
1899 für das Deutsche Reich erworben worden war (Allerh.
Erlaß vom 17. Februar 1900; Reichsgesetzbl. S. 135). Es er-
des $ 5 auf das neu konstruierte Delikt des $ 1 und die Konstruktion des
letzteren überhaupt fehlerhaft und auch durch die Bezugnahme auf die
Allerh. Verordnung vom 15. Oktober 1886, wie gezeigt, nicht zu recht-
fertigen.