Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

— 301 — 
sie auch zur Kennzeichnung der Aufgaben des abstrakten Rechts 
überhaupt und nicht ausschließlich zur Kennzeichnung des,prak- 
tischen Verhaltens der an der Ausübung des Rechts Beteiligten 
dienen könnte. Zu berücksichtigen ist allerdings der Zusammen- 
hang, in dem PAULSEN diese Begriffsbestimmung ausgesprochen 
hat. Er wollte beim Kapitel der geschlechtlichen Sittlichkeit 
die Mängel und Unterlassungssünden unserer akademischen Bil- 
dung zeigen, besonders inbezug auf Mediziner und Juristen !. 
In diesem Rahmen schildert er den seit jeher starken Einfluß 
des Juristenstandes auf die sittlichen Anschauungen des Volkes 
und die namentlich vom Stuhle des Strafrichters ausgehenden 
Sitten-bildenden oder Sitten-zerstörenden Wirkungen im Kampfe 
gegen Perversität sowie unsittliche Schrift- und Kunstprodukte. 
Man sieht, daß PAULSEN über eine Anregung hinsichtlich unseres 
Gegenstandes nicht hinausgekommen ist. 
Auch STERNBER& ? bietet in seiner Allgemeinen Rechtslehre 
und in seiner KIRCHMANN-Biographie nur Ansätze zu unserem 
Thema. Ihm ist, sicherlich mit Recht, der Beruf des praktischen 
Juristen ein Beruf der Persönlichkeit. Als Aufgabe einer Ethik 
des juristischen Berufes bezeichnet er die Untersuchung, wie man 
die Persönlichkeit, den Charakter zur Entwicklung bringt, wobei 
er betont, daß diejenige Tätigkeit, die am Ausbau und der Durch- 
führung des ethischen Ideals im sozialen Leben zu arbeiten habe, 
in ihrer Art und ihren Vertretern ganz auf der Höhe sein 
müsse. 
Nach einer zusammenfassenden Darstellung der juristischen 
Ethik in Gestalt eines Systems werden wir in der deutschen 
Literatur vergeblich suchen. Dies ist um so auffallender, als 
ı PAULSEN, Zum Kapitel der geschlechtlichen Sittlichkeit, in der „Woche“ 
1908 S. 1 ff. 
? THEODOR STERNBERG, Allgemeine Rechtslehre, Leipzig 1904, I, 203 ff. ; 
derselbe, J. H. v. KiRCHMANN und seine Kritik der Rechtswissenschaft, Ber- 
lin u. Leipzig 1908, S. 35.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.