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einmal für den Berufsstand der Mediziner bereits beachtenswerte
Vorbilder vorhanden sind, namentlich ALBERT MOLLs umfangreiche
„Aerztliche Ethik“ (Die Pflichten des Arztes in allen Beziehungen
seiner Tätigkeit, Stuttgart 1902), zum andern in der älteren
deutschen juristischen Literatur mancherlei, teilweise längst ver-
gessene Quellen für unsern Gegenstand fließen. Von österrei-
chischer Seite hat die Ethik der Advokatur in jüngster Zeit durch
EDMUND BENEDIKT (Die Advokatur unserer Zeit, 3. Aufl., Wien
1909) eine zwar gedrängte, aber nach Form und Inhalt hervor-
ragende Bearbeitung gefunden 3. Aus dem Kreise hierher ge-
hörender Schriften der französischen Advokatur mit ihrer alten
und großen Tradition sei nur MoLLoTs, Profession d’avocat,
Paris 1866, genannt.
Zur Ethik des richterlichen Berufes, über den wir nach dem
Gange der geschichtlichen Entwicklung in den älteren Schriften
naturgemäß viel mehr als über den in der Gegenwart in gänz-
lich veränderter Gestalt erscheinenden Advokatenstand finden,
ließe sich eine reiche und interessante bis ins Altertum zurück-
‚gehende Literatur nach besonderen Gruppen zusammenstellen. Wir
müssen uns hier mit dem Hinweise auf einige Schriften begnügen.
In diesen finden wir teils die Eigenschaften des Richters, wie sie
sein Idealbild ausmachen, aufgezählt, teils umgekehrt seine Mängel
und Fehler, also das, was ihm nicht eigen sein soll. So im Schwa-
benspiegel und in den Erläuterungen GEILER VON KAISERSBERGS
zu SEBASTIAN BRANTs Narrenschiff, das auch eine Schar unge-
rechter Richter trägt. Dagegen zeigt uns in positiver Weise z.B.
JOACHIMUS GREGORII von Prietzen in seinem „sehr nützlichen
Tractat vom Ampte und Eigenschaft der Richter und Obrigkeiten“
in einzelnen Kapiteln die dreiunddreißig Eigenschaften des Rich-
ters, beginnend mit der Gottesfurcht bis zur verständigen Aus-
3 WILDHAGEN hat in seinem Aufsatz „Der Ehrenkodex der deutschen
Rechtsanwälte“ (Deutsche Jur.-Ztg. 1901, S. 366 ff.) die Grundsätze der
ersten 12 Bände der Entscheidungen des Ehrengerichtshofs dargestellt.