Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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verhältnis hinsichtlich seiner Begründung unter den Begriff eines 
öffentlich-rechtlichen Vertrages bringt, es inhaltlich aber als ein 
Gewaltsverhältnis faßt, stützt seine Konstruktion auf die Ana- 
logie des lehnrechtlichen Gewaltsverhältnisses, welches „ethischer 
Natur“ war (Staatsrecht des Deutschen Reiches, 4. Aufl., I, 405). 
Der Staat hat aber aus Zweckmäßigkeitsgründen, um das An- 
sehen des Standes namentlich auch dem Publikum gegenüber 
zu wahren, einen Teil dieser sich aus dem ethischen Treu- und 
Gewaltsverhältnis ergebenden Pflichten durch Gebote und Ver- 
bote im Wege der Disziplinargesetzgebung sanktioniert und darum 
gehören diese Pflichten, die zum Teil fester gesetzlicher Um- 
grenzung entbehren und nur in dehnbare Fassung gekleidet sind, 
aber immer den spezifischen Charakter ihrer Zugehörigkeit zum 
juristischen Berufsstande an sich tragen, in eine Darstellung 
seiner Ethik. Denn innerlich, d. h. ihrem Wesen nach wird 
an diesen Pflichten durch Unterstellung unter disziplinare Vor- 
schriften nichts geändert. Diese im Disziplinarrecht enthaltenen 
Vorschriften können nach einer Art von Analogie zu dem eben 
erwähnten ethischen Minimum der allgemein-menschlichen Pflich- 
ten als das ethische Minimum der besonderen ethischen Pflichten 
des juristischen Berufes aufgefaßt werden. So bleibt denn als 
ganz und gar dem freien sittlichen Ermessen d. h. dem sittlichen 
Gefühl oder sittlichen Takt des einzelnen Juristen überlassener 
Rest der juristischen Ethik, die man auch als juristische Tugend- 
und Pflichtenlehre bezeichnen kann, dasjenige Verhalten desselben 
übrig, welches nicht durch besondere disziplinare staatliche Be- 
stimmungen geregelt ist. 
Nach verschiedenen Seiten hin bedarf die juristische Ethik 
einer Abgrenzung. Zwei sollen näher erörtert werden. 
Die juristische Ethik hat, wie die Ethik überhaupt, Berüh- 
rungspunkte mit der Weltklugheit, die man auch als einen 
Wegweiser des Nützlichen zu einem erfolgreichen Fort- 
kommen im Leben, als eine Ethik der Selbstliebe oder des
	        
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