Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Island. Im Jahre 1100 gab es auf der Insel nach der damaligen 
Volkszählung 4560 seßhafte, freie Bauern. Lange Zeit hat übrigens 
unter den Kolonisten eine staatliche Organisation nicht bestanden, 
allmählich erst bildeten sich Tempelgemeinschaften mit zuerst 
kirchlicher, dann auch gerichtlicher und öffentlicher Gewalt. Der 
Erbauer und Besitzer des Tempels hieß godi, Gottesmann er übte 
die öffentliche Gewalt aus, und godord, das Priestertum, hieß 
diese Gewalt selbst wie auch der Verband von Leuten, auf welche 
sie sich bezog. Aber die Verbindung der Untergebenen mit dem 
Priester war durch freien Vertrag eingegangen, der Untergebene 
konnte sie dem Häuptling jederzeit kündigen. Die Angehörigen 
der verschiedenen Häuptlinge waren nicht in Gaue abgeteilt, sie 
wohnten gemischt durcheinander. Ums Jahr 930 wurde ein All- 
thing, eine Landsgemeinde, eingesetzt, welche im volksreichen 
Südwesten alljährlich im Hochsominer für mehrere Tage zusammen- 
trat, an der Stelle, die heute noch Thingvellir, Thingstätte, heißt. 
Zur Führung derselben ist ein oberster Beamter des Landes ein- 
gesetzt worden, der Gesetzsprecher, der auch Rechtsgutachten 
zu erteilen und am Allthing Vorträge über das Landrecht zu 
halten hatte, aber an der vollziehenden Gewalt nicht teilnahm. 
Das Recht der Goden über ihre Untergebenen blieb dabei unver- 
ändert. Doch nahmen die Goden in die gesetzgebende Versamm- 
lung je zwei von ihnen ernannte Bauern als stimmberechtigte 
Beisitzer mit und auch sonst reiste mancher zum Allthing, um 
an einem Rechtshandel teilzunehmen, Zeugnis zu geben oder ein- 
fach um zu erfahren, was vorging. Auf dem leith sodann, einer 
Art Nachlandsgemeinde (wie in Norwegen), machten die Goden 
zu Hause die Leute, die nicht zum Allthing hatten gehen können, 
mit den dort vorgekommenen Sachen vertraut. Um das Jahr 965 
sehen wir eine Bezirksverfassung entstehen; die Zahl der Godorde 
wurde auf 39 festgesetzt, deren je drei einen Thingverband bil- 
deten, und je drei Thingverbände, im Nordland ausnahmsweise 
vier, ein Landesviertel. Der Gode durfte nun keine Thingleute
	        
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