Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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darum aber nicht den Charakter interesseloser Kälte tragen 
darf, zu befleißigen. Der Satz: „Der Richter ist der Kopf, wir 
(die Anwälte) sind das Herz der Rechtspflege“ geht jedenfalls 
etwas zu weit. Patientem esse proconsulem oportet, oder wie 
die preußische Justiz-Ministerial-Verfügung vom 30. April 1896 
vorschreibt: Vermeidung jeder Schroffheit; Ruhe, Besonnenheit, 
Entgegenkommen. Das allgemeine Verhalten aller Justizbedienten 
faßt die oben wörtlich wiedergegebene Stelle der AGO.8 24 III 
in mustergiltiger Weise zusammen. Ganz besonders vortrefflich 
ist an dieser Mahnung, daß sie, die wichtigsten allgemein-ethi- 
schen Pflichten nur streifend, den Schein der Parteilichkeit 
als ängstlich zu meiden gebietet und zur Erreichung dieses Zieles 
mit besonderer Ausführlichkeit ins einzelne gehende Ratschläge 
nach den verschiedenen Richtungen der Lebensbetätigung des 
Beamten erteilt. Darf auf dem eigentlichsten Gebiete der all- 
gemein-menschlichen Ethik d.h. also in bezug auf die allerwich- 
tigsten sittlichen Tugenden und Pflichten dem Begriffe des 
Scheins eine größere Bedeutung selbstverständlich nicht zuge- 
schrieben werden, so muß gerade deshalb mit Nachdruck darauf 
aufmerksam gemacht werden, daß, wo es sich zum Teil um die 
allerfeinsten Dinge des praktischen Verhaltens handelt, wie auf 
dem Gebiete der Berufsethik, also auch der juristischen Ethik, 
der Schein von der allergrößten Bedeutung ist. Denn da jede 
Berufsethik ihren Endzweck darin hat, die Würde des betreffen- 
den Berufes oder Standes nach außen hin zu wahren, damit sie 
keinen Schaden vor der großen Menge leide oder verringert 
werde, so ist klar, daß ganz besonders sie schädigen kann der 
Schein, daß etwas Unzutreffendes, Ungeeignetes, Unwürdiges, 
Ungehöriges geschehen sei. Denn das Publikum urteilt nach 
dem Scheine nicht bloß weil es zum Teil nicht auf genügend 
hoher sittlicher Stufe steht, sondern auch weil es in der mensch- 
lichen Natur liegt, in die wahren Motive der Handlungen des 
anderen nicht genügend eindringen zu können, so daß wir von
	        
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