Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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rigkeiten. Dagegen führt uns in den Kern der Ethik der Ad- 
vokatur die Frage, ob ein Advokat gegen seine aus den Tat- 
sachen oder der Rechtslage geschöpfte Ueberzeugung die Ver- 
tretung einer Sache übernehmen darf. (BENEDIKT, a. a. O.,S. 48). 
Ist es ihm erlaubt, gegen seine bessere Einsicht im Zivilprozesse 
eine unbegründete Forderung zu vertreten oder einer begründeten 
zu widersprechen? (8 26 III 7 AGO., 8 31 RAO.) Hier stoßen 
wir auf die in jüngster Zeit vielfach besprochene Lüge im Pro- 
zeß und die Betonung der ethischen Seite des Zivilprozesses 
(HrıLwie). Ist es ihm im Strafprozesse gestattet, für den ge- 
ständigen oder seiner Ueberzeugung nach schuldigen Angeklagten 
auf Freisprechung zu plädieren? (Vgl. WEISSLER, (Geschichte 
der Rechtsanwaltschaft, Leipzig 1905 und die dort Zitierten, nament- 
lich v. Liszt, Deutsche Jur.-Ztg. 1901 S. 179 fi.) Ist es zu- 
lässig, in derselben Rechtsfrage, in dem einen Prozesse diese, 
in einem anderen jene Ansicht gleichzeitig zu vertreten oder von 
der eigenen in wissenschaftlichen Arbeiten vertretenen abzuwei- 
chen? Wir müssen uns hier darauf beschränken, diese Fragen 
aufzuwerfen, die, wie die geteilten Ansichten in der bis ins Al- 
tertum zurückgehenden Literatur (vgl. Cicero de officiis II, 14) 
beweisen, schon an sich nicht einfach zu beantworten und wegen 
der besonderen Komplikationen des Einzelfalles zum Teil einer 
einheitlichen Antwort überhaupt nicht fähig sind. Unserer Auf- 
fassung nach ist vom Standpunkte der juristischen Ethik aus 
die Zulässigkeit im allgemeinen zu verneinen. Die schwierigsten 
Situationen für den Anwalt liegen wohl in seiner Stellung als 
Kriminalverteidiger, die mit Versuchungen mannigfachster Art 
im Interesse des Klienten verknüpft ist und bis zur Gefahr der 
strafbaren Begünstigung durch den Anwalt führen kann. (Vgl. 
v. LILIENTHAL, Deutsche Jur.-Ztg. 1901 S. 101 und Hoppe, 
ebenda 1905 8. 155.) 
Man hat in neuerer Zeit wiederholt auf die sozialen Pflich- 
ten des praktischen Juristen hingewiesen, die ihm sowohl in
	        
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