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damit allein geholfen werden, wie wenn es zulässig wäre, daß gerichtlich
die Unrichtigkeit einer unter dem Schutze der Immunität abgegebenen, der
Ehrenbeleidigungsklage nicht ausgesetzten Beschuldigung festgestellt wird.
Auch die bedingte Verurteilung ist vorerst nur Unrechtsfeststellung. Wenn
nach KELSEN die Wirkung auf die Unterworfenen kein Essentiale des
Rechtssatzes bildet !!, wenn das Recht schon in der Form der richterlichen
Feststellung eine ihm eigentümliche Funktion entfaltet, wenn in den
meisten Fällen gar nicht das Sollen des Verpflichteten, sondern nur ein
Eingriff in sein Vermögen realisiert werden kann, dann kann auch der Wille
zur Reaktion gegen das Unrecht kein solches Essentiale bilden. Da nach
KELSEN Recht immer Recht bleiben muß, waren auch die Rechtssätze des
öffentlichen Rechts des absolutistischen Staates Rechtssätze trotz des
Realisierungshemmnisses des fürstlichen Machtspruchs !!, So ist gerade
vom Standpunkt der Induktion die Ordnungsfunktion, die t&£ıg des Aristo-
teles oder die heilige segensreiche Ordnung Schillers für den Rechts-
satzbegriff' wesentlich und ausreichend, Dem Entwicklungsideal
schweben gerade solche Rechtssätze als leges perfectissimae vor, die ohne
Reaktionsandrohung Kraft der Gerechtigkeit und Weisheit ihres Inhalts
allein zu wirken vermöchten. Der Rechtssatz als Unrechtsmaßstab gestattet
auch die Einbeziehung von Pflichten, die durch Ersatzvornahme nicht
realisiert werden können, in den Bereich der Rechtspflichten, wie jener zur
Wahrung der Ueberzeugung durch den Richter, die keine ethische Pflicht
ist, wo das anzuwendende Gesetz gegen das Sittengesetz verstößt, ferner
der Rechtssätze des Völkerrechts, die überhaupt nicht von dem einzelnen Staate
erklärt werden. Andererseits deckt die Begriffsbestimniung von der Norm
als Wille des Staates zuexequieren und zu strafen die Reaktion
zur Sicherung grundlegender Sollsätze der Verfassung nicht, die durch das
System der Gewaltenteilung, durch die damit verknüpften Nötigungsmittel
der Steuer- und Rekrutenverweigerung, durch die Prüfungszuständigkeit
Ges. vom 18. April 1869 R. 44 reicht die Zuständigkeit des österr. Reichs-
gerichts gegenüber Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmäßig ge-
währleisteter politischer Rechte über die Feststellung des Unrechts und seines
Umfangs nicht hinaus. Vgl. ferner die .autoritäre Wirkung der Urteile des
Rabinats- oder Judengerichts in Galizien und in der Bukowina. Die Reak-
tionsskala des Rechtshat auch einen Nullpunkt.
® Ein Vorschlag des leider früh verstorbenen österreichischen Straf-
rechtslebrers FRIEDMANN in seinem Recht der Wahrheit 1901, S. 25, Zu-
weilen ist es dem Kläger um nicht mehr zu tun, als Recht zu behalten.
Dabo tibi jus.
10 KrLsen a. a. O., S. 213 f., 221, 231, 837, 448.
1 TEZnER, Die landesfürstliche Verwaltungsrechtspflege in Oestereich II
(1902) 8. 124.