Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Losgehen der Militärtruppe mit gefälltem Bajonette, bis zur Anlegung der 
Handschellen, bis zur Einsperrung des verurteilten Delinquenten, bis 
zur Demolierung des ohne Erlaubnis errichteten Baues im Wege der 
Ersatzvornahme besteht die Vollziehung in nichts anderem; als darin, daß 
der garantierte Rechtssatz: „Folget, sonst wird exequiert oder gestraft“, 
an eine individuell bestimmte Person adressiert wird. Die Verfügung 
mit Exekutionsdrohung ist nicht minder bedingt als 
derabstrakteExekutionsvorsatz derzurealisierenden 
Norm. Das Strafurteil ist nicht Handeln, sondern nur Voraussetzung 
des Handelns des Henkers, der Gefangenaufseher usw. ?°. So verwandelt die 
Lehre KELSENs die t&£ıs, den durch menschliche Weisheit geschaffenen 
xöonog des Aristoteles in ein großes Straf- und Exekutionsprogramm, erhebt 
die niederen Exekutivorgane, wie Schutzmänner, Auktionatoren, Gerichts- 
vollzieher usw. zu den staatlichen Organen xar 2£oxnv°?! und erblickt das 
Wesen der Rechtsordnung nicht in der Ordnung des Rechts, sondern in 
ihrer koerzitiven Seite. 
IV. 
Die eigenartige Bestimmung des Organbegrifis und die mit ihr ver- 
knüpfte gleichfalls eigenartige Bestimmung des Unterschiedes von Wollen 
und Handeln nötigt KELSEn, dem Monarchen als Gesetzgeber die Organ- 
qualität abzusprechen ?*. Der Wille des Staates kann durch ihn nicht 
gebildet werden, weil der Staat nicht vor der Willensbildung besteht, sein 
Wesen vielmehr nur im Willen entfaltet”. Aus diesem Grund fällt der 
ganze Gesetzgebungsprozeß als bloße soziale Funktion, als Prozeß der 
Transfusion des sozialen Lebens in den Staatskörper aus dem Rahmen 
juristischer Betrachtung hinaus ®, Allein wie der Staat durch Rechtssätze 
die rechtlich maßgebenden, also die Richter bindenden Formen des Aus- 
drücks des Willens der Einzelperson regelt und bei der Bestimmung der 
Form des Testamentes, des Eheabschlusses ein umständliches Verfahren 
vorschreibt, so führt der Weg zur Orientierung über den wahren und 
echten Willen des Staates nur durch den Rechtssatz hindurch. Auch 
die den Währungsbestimmungen vergleichbaren Echtheitsregeln für die 
Erkenntnis des Staatswillens sind wahrhafte, realisierbare, d. i. befolgbare 
und anwendbare Sollsätze, bindend für den Untertan, für die staatlichen 
10 KELSEN a. a. O., S. 518. 
2° Vgl. Tezwer, Handbuch des österreichischen Administrativverfahrens 
(1896), S. 433. 
21 KELSEN a. a. O., S. 464. 
?? A. a. O., S. 467. 
23 A. a. O., S. 407, 566, 
4 A. a.0., 409 ff.
	        
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