Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Betrachtungsweise ist alles rechtliche Geschehen im Staate, also auch jede 
Art von Gesetzgebung nur Vollzug der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten 
und zuletzt erscheinen auch diese Zuständigkeiten in dem absorptiven 
Rechtssatz vorgebildet: Gebet dem Staate was des Staates ist. 
V. 
In seinen literarisch bemerkenswerten empirischen Untersuchungen zur 
allgemeinen Staatslehre hat Lınag den Versuch unternommen, das Staats- 
recht von seinen imaginären Grundlagen abzulösen und auf realen 
Grundlagen aufzubauen, Ich habe diesem Versuche bei der Besprechung 
des LinG@’schen Werkes im 18. Bd. der Grünhut’schen Zeitschrift S. 530 ff. 
den Einwänd entgegengesetzt, daß gerade in der eigenartigen Vorstellungs- 
weise des Rechtes die Realität des Rechtes, die juristische Realität ge- 
legen und daß insbesondere ohne die Vorstellung von der durch mensch- 
liche Konstruktion geschaffenen Persönlichkeit des Staates ein Zurechtfinden 
in der unübersehbaren Welt des modernen staatlichen Rechtslebens nicht 
möglich sei. Die Bedeutung der vom Rechte selbst schwungvoll betriebenen 
Imagination für das Verständnis des positiven Staatsrechts habe ich so- 
dann des Näheren im 21. Bd. der Grünhut’schen Zeitschrift S. 153 f. und 
113f., dann im Jhg. 1902 der Annalen des deutschen Reiches entwickelt. 
Trotzdem nun auch KELSEN Persönlichkeit #® und juristischen Willen %# 
als Kunstfiguren des Rechts, als Schöpfungen des menschlichen 
Denkens erklärt, bleibt er, soweit es sich um die Denkbarkeit rechtlich 
bedeutsamer Vorstellungen und Zwecke des Staates handelt, auf halbem 
Wege stehen und kehrt, ähnlich wie Linse, zu der Irrealität staatlicher 
Vorstellungen und Zwecke zurück. Nun bestehen aber Rechtssätze, welche 
uns verpflichten, den Staat als vorstellend und Zwecke verfolgend vorzu- 
stellen, Imaginationsnormen. Die Rechtssätze des Völkerrechts nötigen uns, 
den Staat selbst feindseliger Gesinnungen, wie jene des Vereinspolizei- 
rechts, Vereine staatsgefährlichen Treibens fähig zu halten. Der Staat 
schreibt uns nicht bloß Handeln und Unterlassen, sondern auch Vorstellen, 
oder Handeln und Unterlassen vor, welches von bestimmten von ihm fest- 
gesetzten Vorstellungen auszugehen hat. Wir mögen über ihre Richtigkeit 
KELSEN a. a. O., S. 560. Das ist die Auffassung des ständischen oder 
Patrimonialstaates, mittels deren die Verfassungen der österreichischen 
Länder allmählich eliminiert wurden. Vgl. hiezu TEZnER, Kritische Viertel- 
jahrsschrift 3. F. Bd. 1, S.259 ff. Die Ablehnung der lex imperfecta hätte 
KELSEn dazu führen müssen, den Blankettrechtesatz als unleugbar un- 
fertigen Rechtssatz abzulehnen. Es ist ibm aber der wahre Rechtssatz, 
die ausfüllende Bestimmung nur Vollzugsverordnung S$. 557. 
“ A.a. O, S. 5lß. 
35 A. a. O., S. 122, 185 £.
	        
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