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wenn er Vorstellungen, die das positive Recht erwiesenermaßen beherrschen,
wegen ihrer Unsinnigkeit verwirft, sö beispielsweise die den Rechtsschutz
im Verwaltungsrecht vermittelnde, somit hochbedeutsame, in wirksamen
Einrichtungen verkörperte Idee, daß der Staat Unrecht tun könne *, ver-
möge welcher selbst der Staat z. B. als Domänenfiskus den die obrigkeit-
liche Verwaltung führenden Staat vor dem Verwaltungsgericht wegen Ver-
letzung eines ihm zustehenden Wasserrechts verklagen kann *”. Wenn
KeELSEN nur die Rechtswidrigkeit der physischen Träger der staatlichen
Exekutivgewalt gelten lassen will, gegen welche mit der Disziplinar-
strafe reagiert wird, so korrigiert er das positive Recht, das schon im
ständischen oder landesfürstlichen Rechtsstaat den Uebergang von dem
wegen exces de pouvoir beklagten, namentlich benannten Beamten zu der
für den Zweck des Rechtsschutzes personifizierten, nicht disziplinierbaren
und unsterblichen Behörde gefunden hat“ und nunmehr den Staat für
seine Organe zivilrechtlich fassen läßt. Uebrigens opfert KELsEn selbst
die Vorstellung von der Einheit des Staates, welche in der ständischen
Epoche von den Ständen nur im Falle ihrer Uneinigkeit in der Form
des Appells an das Regale oder das jus regium angerufen wurde, wenn er,
um zur Straf- und Exekutionspflicht zu gelangen, zwischen dem wollenden
und handelnden Staat scheidet.
v1.
Aus den hier entwickelten Gründen ist die Rechtswissenschaft nicht
bloß die Wissenschaft von den abstrakten Formen des Rechts, sondern
auch von dem Rechte als einem Repositorium rechtlich bedeutsamer, in
#6 KELSEN a. a. O., S. 249,
47 Ueber die Bedeutung dieses Rechtsschutzes des Staates gegen die
auf die Minister des parlamentarischen Staates einwirkende, seine Interessen
schwer verletzenden Korruptionsnötigungen einflußreicher parlamentarischer
Politiker, TEZNER, Jabrbuch des Öffentlichen Rechts V., S. 109, A. 6.
# Vgl. die Klage des Friedrich Hofmann, Pflegers zu Wolkenstein, gegen
Hans Maltits, den zum Handeln in Bergwerksangelegenheiten bestellten Berg-
meister, wegen Kompetenzüberschreitung und die hierüber erflossene Reso-
lution Kaiser Maximilian 1. vom 9. Februar 1496 mit dem Erkenntnis der
n. ö. Regierung und Kammer vom 26. März 1698 tiber die Klage des Stiftes
Melk gegen daskaiserlicheHausgrafenamt wegen rechtswidriger
Einhebung eines Getreideaufschlags bei Tezwer, Landesfürstliche Ver-
waltungsrechtspflege I., S. 90 f., A. 121 und 3. 113. Ueber die Unentbehrlich-
keit und die Grenzen der Persomifikation der Behörden im modernen
Becht, TezyeR, Grünhut’s Zeitschrift 21. Bd., S. 184. Vgl. übrigens such
den Krieg der englischen Geriebte mit dem Parlament im Hansardfall bei
FISCHEL,. Verfassung Englands, 8. 408 ff.