Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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die Form von Sollsätzen oder von verbindlichen Glaubenssätzen gekleideter, 
und mittels der Formen des Rechts wirkender Ideen und Vorstellungen, 
also auch die Lehre von dem in der Form des Rechts steckenden Inhalte 
des Rechts, ein Auflegen, ein Auslegen des Rechtsinhalts, ein developpe- 
ment de la loi, enucleatio juris, also in diesem Sinne eine explikative 
Disziplin. Deshalb erfüllt nur eine solche Art der Darstellung des 
positiven öffentlichen Rechts eines Staates die Forderung wissenschaftlicher 
Akribie, die es sich angelegen sein läßt, den Gedankengängen des Rechts 
voraussetzungslos d. i. frei von dem Banne einer bestimmten Theorie nach- 
zugehen, wofür uns HATSCHERs Darstellung des englischen öffentlichen 
Rechts, Otto MAYERs Entwicklung der Theorie des französischen Ver- 
waltungsrechts rühmliche Beispiele bieten #. Was darüber hinausgeht, ist 
Kritik und Rechtspolitik, Entwicklung des Seinsollenden an Stelle des 
Seienden. 
Darum ist aber auch der Vergleich der Rechtswissenschaft mit der 
Formlehre der Geometrie insofern nicht zutreffend, weil die Lehre von den 
Formen des Rechts nur einen Teil, nicht aber die ganze Lehre von 
Recht bildet. Das kehrt sich auch gegen die These KELSEns, daß das 
subjektive Recht nur der Schutz, nicht das Geschützte, nur die Schranke, 
nicht das Beschränkte se15%. Demgegenüber ist der schlichten, die Syste- 
matik der subjektiven Privatrechte allein ermöglichenden Vorstellung ®! des 
Pandektenrechts der Vorzug zu geben — und in erster und letzter Linie 
* Damit erledigt sich auch, was KELSEN gegen die Fiktion der Parla- 
mente als Volksvertretung und eines Gesamtwillens vorbringt. Die Vor- 
stellung vom Volke und von der Volksvertretung als Repräsentanten des 
Volkswillens ist nicht minder juristischer Behelf für die Verwirklichung 
der konstitutionellen Monarchie wie die Person und der juristische Wille, 
die Vorstellung von der Möglichkeit der Kenntnis aller Gesetze für die 
Verwirklichung und Erfassung des staatlichen Rechtslebens. So sagt schon 
WERBÖCZ in seinem Tripartitum: Mag zum Volk im nichtjuristischen Sinn 
auch die Plebs gehören, im juristischen sind es nur die Herren Prälaten, 
Barone und andere Magnaten. TEZNER, Der österreichische Kaisertitel 1899, 
8. 12. Die Vorstellung eines Parlamentwillens als Gesamtwillens ist um nichts 
unjuristischer wie die Konstruktion des Willens der Majorität eines Kollegiums 
als Kollegialwillens. Solche Vorstellungen sind auch durch Strafnormen 
gegen ihren gewaltsamen Ersatz durch andere Vorstellungen garantiert. 
Vgl. auch die Reprobierung der gewaltsamen Aenderung der Geschäfts- 
ordnung des Österr. Abgeordnetenhauses durch das Reichsgerieht (Sanım- 
lung Hye Nr. 878 ff.). 
”» A. a. O., IS. 498. , 
sı Uneense System des österreichischen Privatrechts, 3. A. (1868) 1., 
8. 508. 
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