Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Prof. K. Siegfried, Die schwere Benachteiligung der volk- 
reichsten Landesteile Preußens beiden Landtags- 
wahlen. Mit 5 graphischen Tableaux. 1908. 
Mit dem Scheitern der jüngsten preußischen Wahlreform hat die dies- 
bezügliche Literatur ihre Bedeutung für die nächste Zukunft beibehalten, 
die uns bald wieder vor die Frage einer gerechten Volksvertretung in 
Preußen stellen wird. Daher ist es noch nicht zu spät, wenn wir jetzt 
auf das obige Buch des Königsberger Wahlstatistikers aufmerksam machen, 
ein Werk, das sich durch die Exaktheit seiner Forschung wie die prak- 
tische Brauchbarkeit seiner Resultate weit über die sonstige Wahlreforn:- 
literatur erhebt, ohne daß es bisher in wissenschaftlichen Kreisen die An- 
erkennung gefunden hätte, die es wirklich verdient. 
Das Buch zerfällt in 2 Abschnitte, von denen der erste (S. 1—17) unter 
Beigabe eines mit bewundernswerten: Fleiße zusammengetragenen Zahlen- 
materials die Unhaltbarkeit der bisherigen Wahlkreiseinteilung in Preußen 
dartut. Wenn Prof. SIEGFRIED nachweist, daß durch das Festhalten an der 
alten Wahlkreiseinteilung trotz der durch die industrielle Entwicklung be- 
dingten Verschiebung der Volksmassen einer Volkshälfte mit 303,67 Abge- 
ordneten und einer Steuerlast von ungefähr 68 Mill. Mark die andere Volks- 
hälfte mit nur 193,33 Abgeordneten und einer Steuerlast von 173!/s Mill. 
Mark gegenübersteht, so bekommt man im Zusammenhalte mit dem Drei- 
klassensystem und der Oeffentlichkeit der Wahl erst das rechte Bild von 
den Wirkungen des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Dachte man ge- 
wöhnlich nur an das Dreiklassensystem und die Oeffentlichkeit der Wahl, 
wenn man vom preußischen Dreiklassenwahlrecht sprach, so ist es beson- 
ders das Verdienst Prof. SIEGFRIEDs zahlenmäßig nachgewiesen zu haben. 
daß die preußische Wahlkreiseinteilung an Ungerechtigkeit diesen beiden 
ersteren Einrichtungen nichts nachgibt. Dabei ist das Zahlenmaterial, auf 
das sich dieser Abschnitt aufbaut, keineswegs durch die letzte preußische 
Wahlstatistik überholt, denn diese bringt über die Vertretung der ein- 
zelnen Gegenden in kürzester Form (!/s Druckseite) nur minderwertiges und 
unverarbeitetes Material. Wenn man aber weiß, daß die letzte Regierungs- 
vorlage einer Wahlkreisneueinteilung absolut abgeneigt war, wird man den 
Grund für diese Lücke in der sonst so ausführlichen letzten Wahlstatistik 
leicht erkennen. 
Prof. SIEGFRIED beschränkt sich aber nicht auf eine bloße Kritik des 
Bestehenden, sondern gibt im 2. Abschnitt seines Werkes (S. 18—28) auch 
positive Vorschläge für eine Neuregelung des preußischen Wahlrechts, in- 
dem er mit überzeugenden Gründen das Pluralsystem gemildert durch das 
Proportionalwahlrecht vorschlägt. Nur die Ausführungen über die Besei- 
tigung der Uebervertretung des Kapitals und der Intelligenz bei der Kom- 
bination des Proportionalwahlrechts mit dem Pluralvotum reizen zum Wider- 
spruch. Wenn Prof. SIEGFRIED von allen Städten und größeren Orten
	        
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