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es auch als Ganzes in seiner Bedeutung für die Völkerrechtsentwicklung
zu würdigen. Die Texte des Abkommens und der beiden grundlegenden
Anträge Deutschlands und Großbritanniens sind beigefügt. Soweit die
Wissenschaft sich mit dem Abkommen schon beschäftigt hat, ist die Literatur
gewissenhaft und kritisch benutzt. Deshalb wird, wer über die Reform
des internationalen Prisenrechtes durch die II. Friedenskonferenz sich unter-
richten will, in erster Linie bei PoHL Aufschluß und ein begründetes, durch-
dachtes Urteil wohl in den allermeisten Fällen finden, denn der Verfasser be-
gnügt sich nicht mit Allgemeinheiten oder Textesparaphrase, sondern ist mit
Erfolg bestrebt, die Bestimmungen des Abkommens, und zwar auch die schwie-
rigsten, in ihren näheren und ferneren Anwendungsmöglichkeiten zu prüfen.
Diese streng juristische Methode ist für das positive Völkerrecht unerläßlich,
zumal da, wo ein formeller Vertragstext vorliegt.
Es kann sich in dieser Besprechung nicht darum handeln, die Poantsche
Schrift in ihren Einzelheiten zu resümieren und abweichende Ansichten
gegenüber denen des Autors zu begründen. Nur eine grundsätzliche Frage
soll herausgegriffen werden.
In der Einleitung legt der Verfasser seine Methode dar; er bekennt
sich zum induktiven Positivismus, für den er sich namentlich auf einen
Meister des älteren Völkerrechts, auf GEORG FRIEDRICH VON MARTENS,
beruht. Es ıst PoHL durchaus darin beizustimmen, daß man äußerst vor-
sichtig sein muß in der Formulierung allgemeiner Völkerrechtssnormen,
und daß eine zwischen vielen Staaten bestehende Praxis nicht notwendiger
für diese die Existenz eines gemeinsamen Rechtes bedeutet, noch weniger
natürlich für Dritte. Es ist deshalb richtig, damit zu beginnen, das „Inter-
nationalrecht“ jedes Staates festzustellen, d. h. die Summe der Rechtsregeln,
welche dessen hiezu kompetente Organe durch Gesetz, Staatsvertrag usw.
gesetzt oder anerkannt haben. PoHu bleibt nun aber bei diesem nationalen
Internationalrecht stehen und bestreitet die Möglichkeit einer durch beab-
sichtigte Uebereinstimmung herbeizuführenden Objektivierung des Rechts
über den Willen des einzelnen Staates hinaus; das internationale Recht
ist nur nationales Recht, das Völkerrecht als ein den Staaten als objek-
tive Größe gegenübertreiendes Recht existiert nicht; es ist nur eine
Lehre, eine Summe von aus den verschiedenen Internationalrechten abge-
leiteten Begriffen ohne positiven Rechtscharakter; es ist „ein wissenschaft-
liches System, wie etwa die Disziplin des deutschen Privatrechts, soweit
diese kein unmittelbar anwendbares Recht lehrt“. Eine solche Auffassungs-
weise bietet den Vorteil, daß man das internationale Recht als positives
Recht, nicht bloß als Moralsystem behandelt, anderseits aber am Staat als
einziger Quelle positiven Rechts festhalten kann. Doch es scheint uns,
daß das Bestreben, streng positiv zu bleiben, hier den Verfasser auf eine
Irrfährte und in reine Begrifisjurisprudenz geführt hat. Man mag sich eine
Theorie von der Natur des Völkerrechts bilden wie man will, über die Tat-