Auch die öffentlich-rechtliche Gesetzgebung des Aus-
landes ist eingehend berücksichtigt. Einen Rückblick über die übrigens
wenig belangreiche Gesetzgebung in Frankreich 1907-1909 gibt Pro-
fessor GASTON JEZE in Paris, zugleich macht er aufmerksam auf einige
für den französischen Staatsdienst bedeutsame Urteile des Staatsrats in
streitigen Angelegenheiten, wonach die Rechtsmäßigkeit der Berufsvereine
der öffentlichen Beamten und deren Vereinsverbände anerkannt und diesen
Beamtenvereinen die Befugnis zugestanden worden ist, vor Gericht aufzutreten
und im Gesamtinteresse zur Wahrung von Standesinteressen selbständig
eine Art Syndikatsklage zu erheben, dagegen der Streik im Öffentlichen
Dienst für unzulässig erklärt wird. Einen ähnlichen Ueberblick gibt Pro-
fessor PAUL ERRERA in Brüssel für Belgien und das Jahr 1909. Prof.
Dr. MANFREDI SIOoTTo-Pıntor an der Universität Perugia berichtet über
das Verfassungsleben in Italien 1907—1909, in welcher Zeit nach zahllosen
vergeblichen Versuchen dem neuen Justizminister Orlando die Verabschie-
dung einer Refornı der Gerichtsordnung gelang und die Geschäftsordnung
des Senats sowohl als der Deputiertenkammer in einzelnen Punkten abge-
ändert wurde. Norwegens Gesetzgebung im Jahre 1909 wird von Pro-
fessor Dr. MORGENSTIERNE in Christiania, die Gesetzgebung in Rußland
von Professor Dr. GRIBOWSKY in Odessa, die Öffentlich-rechtliche Gesetz-
gebung in Japan von Dr. Sun Uyszsusı, Professor der Rechte an der
kaiserlichen Universität zu Tokio geschildert. Die bosnische Verfas-
sung, welche der Kaiser von Oesterreich und König von Ungarn den vor-
maligen türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina nach deren An-
nexion am 5. Oktober 1908 gegeben hat und welche sich aus dem Landes-
statut, der Wahlordnung, der Geschäftsordnung für den Landtag, dem
Vereins- und Versammlungsgesetze, sowie dem Gesetze über die Bezirks-
räte zusammensetzt, erörtert eingehend Dr. GUSTAY STEINBACH in Wien.
Die ungarische parlamentarische Reform wird ausführ-
lich behandelt von Dr. KArL N£METHAY von Ujfalu, Ministerialrat im K.
ungarischen Ministerium des Innern; besondere Aufmerksamkeit ist dabei
dem Gesetzentwurf des Grafen JULIUS ANDRASSY gewidmet. In der wich-
tigsten Frage des aktiven Wahlrechts stellt sich dieser Entwurf auf die Grund-
lage des einerseits durch die Kenntnis des Schreibens und Lesens, andrer-
seits durch die Pluralität eingeschränkten allgemeinen Wahlrechts: Jeder
großjährige männliche ungarische Staatsbürger, bei dem die selbstver-
ständlichen Voraussetzungen (Selbstbestimmungsrecht und ständige Woh-
nung) zutreffen und die vorgesehenen besonderen Ausschließungsgründe
(Entziehung der Ausübung der politischen Rechte, aktiver Militärdienst,
öffentliche Unterstützungen) fehlen, soll ein Wahlrecht haben. Das Maß
der Ausübung dieses Wahlrechts ist jedoch nach dem persönlichen Wert
der Wähler abgestuft. Den Analphabeten (in Ungarn gibt es in der Be-
völkerung 1270924 des Schreibens und Lesens nicht kundige männliche