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souveräne Gewalt über den ganzen Staat und für einen umfassenden
Staatszweck, sodann aber auch 3. eine Harmonie oder harmonische Ver-
mittelung zwischen beiden Gegensätzen, zwischen der Vielheit und Freiheit
einerseits und zwischen der Einheit und Gewalt andrerseits. WELCKER
unterscheidet hiernach drei Grundkräfte des Staates, Die allgemeine innere
Urkraft des Staats besteht in dem höchsten Grund- oder Verfassungsprinzip
und Gesetz, d. h. der Grundidee, auf welcher das ganze staatliche Leben
aufgebaut ist und die es beherrscht. Im konstitutionellen Rechtsstaat ist
es als gemeinschaftliches Lebensprinzip des Volkes gemeinschaftliches, durch
gemeinschaftliche nationale Bildung und Uebereinstimmung bestimmtes
allgemeines innerliches Willensgesetz der Bürger, ein frei anerkanntes
Willensgesetz; der sittliche Gesamtwille der Vereinigung, der zweite Bestand-
teil des Staates, die äußere Erscheinungskraft besteht in dem Volkskörper.
Dieser setzt sich zusammen aus den Einzelindividuen in ihrer
Selbständigkeit mit ihrem individuellen Willen, gerichtet auf ihre besonderen
Zwecke, sowie aus den selbständigen zwischenstaatlichen Verbänden, den
Gemeinden und Familien. In ihm erhalten im freien Staat die
einzelnen Persönlichkeiten und freien Vereine einen besonderen gleichteiligen
Privatrechtskreis, um innerhalb desselben als freie autonomische Persönlich-
keiten bestehen und ihre besondere individuelle Ueberzeugung und Bestimmung
verwirklichen zu können.
Die dritte Kraft, die Harmoniekraft, bildet im Staate die Re-
gierung, sie repräsentiert die Einheit des Staates, indem sie den in
seine einzelnen Bestandteile auseinanderstrebenden Volkskörper zusammen-
hält. Am vollkommensten ist der Staat, in dem einerseits die Selbständig-
keit und Vervollkommnung der einzelnen Bestandteile zu möglichster Aus-
bildung gelangt ist, in dem aber auch andrerseits für ihre harmonische
Vereinigung am besten gesorgt ist. Diese Vollkommenheit ist nach WELCKERS
Meinung im konstitutionellen Rechtsstaat erreicht.
Es ist nicht jedermanns Sache, sich in das Studium der umfangreichen
Betrachtung einer antiquierten Lehre zu vertiefen; wer sich aber die Mühe
nimmt, wird sich des eigenartigen Reizes einer derartigen Arbeit bewußt
werden und seine Mühe durch reiche Belehrung und Anregung belohnt
finden. K.v. Göz.
Dr. Fritz Hawelka, Die Rechte an öffentlichen Wegen in
Oesterreich (Wiener staatswissenschaftliche Studien, herausge-
geben von Eduard Bernatzik und Eugen von Philippovich in Wien.
Neunter Band, drittes Heft). Wien und Leipzig, Franz Deuticke,
1910, XIl und 160 Seiten.
Nach den guten Ansätzen, die das österreichische Wegerecht in den
Arbeiten PERLMANNNs (Juristische Blätter 1903 Nr. 23—26, 1905 Nr. 8—12),
NavıasKys (Allg. österr. Gerichtszeitung 1905 S. 205—208) und namentlich