Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Begriffes Bundesstaat verdient die Anerkennung, daß sie vom Standpunkte 
der Logik die reinste und bestgelungene ist. Daß dann im weiteren die 
Darlegung der rechtlichen Natur des Reiches dieselben Vorzüge besitzt, ist 
nicht zu verwundern. In der Darstellung erscheint zwar die rechtliche Natur 
des Reichs nur als ein Anwendungsfall des Bundesstaatsbegriffes; bei Kon- 
struktion dieses Begriffes selbst lag aber dieser Anwendungsfall schon vor. 
Es ist dies der gewöhnliche Werdegang juristischer Konstruktionen. Für 
den Begriff Bundesstaat aber bereitete eben die Seltenheit des Ausgangs- 
materials, der Tatsache Bundesstaat (Amerika, Schweiz, norddeutscher Bund 
und Deutsches Reich), die besondren Schwierigkeiten. 
Staat oder Bund? Das war, das ist die Frage. Ist sie heute als 
entschieden anzusehen ? Ich glaube nicht! Im Rahmen dieser kurzen Be- 
sprechung läßt sich das Für und Wider erschöpfend nicht erörtern. Fest- 
steht, daß die Lehre vom Bundesstaat die herrschende ıst und daß damit 
in ihrer Anwendung auf das Deutsche Reich ein souveräner Staat, das 
Reich, als ein Gebilde gilt, welches aus den nichtsouveränen Staaten 
Preußen, Bayern etc. zusammengesetzt und nur deshalb nicht Ein- 
heitsstaat ist, weil eben diese Glieder selbst Staaten, wenn auch ohne 
Souveränetät, sind. LABAND, zu dessen schönsten wissenschaftlichen Ver- 
diensten es zu rechnen ist, daß er dem wissenschaftlichen Gegner, wenn 
er nur ebenbürtig war, stets gerecht wurde, hat bekanntlich in SEYDEL, 
der den nichtsouveränen Staat nicht gelten ließ, den scharfsinnigsten Gegner 
gefunden. SEYDEL verwarf in Konsequenz seiner Staatslehre den Begriff 
des Bundesstaates; seinen Ersatzbegriff, den staatsrechtlichen Staatenbund, 
nahm LABAND nicht an. LABAND erblickt eben im Bundesstaat, den SEYDENL 
als Rechtsbegriff ablehnte, den souveränen, übergeordneten Staat, dem 
nichtsouveräne Staaten untertan sind. Somit stehen sich die Meinungen 
auch heute noch unvermittelt gegenüber. Und das, worum es sich handelt, 
ist und — bleibt der Begriff des nichtsouveränen Staates. 
Ihm ist ja inzwischen eine ganze Spezialliteratur gewidmet worden, lauter 
Versuche, den deutschen Einzelstaaten, vornehmlich Preußen und Bayern 
darzutun, daß sie zwar Staaten, aber nicht souverän sind. Fast scheint es 
so, als stünden wir noch nicht am Ende dieser Belehrungen, in denen sich 
nit dem juristisch-konstruktiven im Stillen doch auch ein politisch bedeut- 
sames Element verbindet, mag es sich nun in der Auffassung von den 
„preußischen Nebenländern“ oder von den „bayerischen Sonderrechten‘ oder 
von den „souveränen Kleinstaaten“ oder in sonst einer jeweils aktuellen 
Einzelfrage an der Oberfläche der Diskussion bewegen. 
So klingt denn auch die Frage: Staat oder Bund? wenn sie dem ein- 
zelnen vorgelegt wird, nicht nur als eine Frage nach theoretischer Kon- 
struktion, sondern oft eher wie eine Frage nach dem innerpolitischen 
Glaubensbekenntnis. LaBANnDs Bundesstaat und SEYDELS staatsrechtiicher 
Staatenbund sind die Brücken. welche von derselben Vielheit zur selben
	        
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