Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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ist und aus ihr allein kann Sicheres für die Entwicklungskurve der Zukunft 
gewonnen werden. 
LABANDs Reichsstaatsrecht gibt uns das klarste und folgerichtigste 
Bild von Bau und Funktion des Reichs. Vollständig freilich wird das Bild 
unserer gesamten deutschen Staatsordnung erst, wenn wir das Staatsrecht 
und Verwaltungsrecht der Einzelstaaten hinzudenken. In gleicher Ausführ- 
lichkeit auf diesen weiten Stoff erstreckt, hätten wir es statt mit einem 
4bändigen, etwa mit einem 16bändigen Werke zu tun, eine ungefähre 
Schätzung, die gewiß nicht zu hoch gegriffen ist. Und wenn man selbst 
den Maßstab der Bewertung des Stoffes nicht vom Umfange, sondern nur 
von der Wichtigkeit des Gegenstandes hernimmt, so bleibt doch sicher so 
viel im Banne des Landesstaatsrechtes zurück, daß die unitarischen Vor- 
stellungen, welche eine ausschließliche Darstellung des Reichsstaatsrechtes 
notwendig erwecken, angesichts des übrigen Stoffes ganz erheblich zu- 
sammenschrumpfen müssen. 
Wir fragen angesichts dieser Tatsache mit einiger Besorgnis nach der 
voraussichtlichen Entwicklung der Zukunft und müssen feststellen, daß das 
Reich an einem Punkt der Entwicklung angelangt ist, wo es nötig wird, 
prinzipiellen Erwägungen über die Grundlagen des Rechtes seiner Ver- 
fassung näher zu treten. Solche Erwägungen hat LABAnD selbst — aller- 
dings in Form eines Rückblicks — in seinem geistvollen Vortrag: Die 
Wandlungen der deutschen Reichsverfassung (Dresden 1895) und ausführ- 
licher und in dem Aufsatze: Die geschichtliche Entwicklung der Reichsver- 
fassung seit der Reichsgründung (Jahrb. des öff. Rechts der Gegenwart, 
1907, Bd.I, S.1 ff.) angestellt. Er stellt fest (Staatsrecht d. D. R., 5. Aufl. I, 
S. 5l), daß die Richtung der Entwicklung der deutschen Reichsverfassung 
bisher im allgemeinen eine unitarische war, und faßt über diese wichtige 
Frage sein Urteil wie folgt zusammen: 
„Die Richtung dieser Entwicklung kann man im allgemeinen dahin 
charakterisieren, daß sie eine unitarische war. Sie mußte es sein, wenn- 
gleich die partikulären Kräfte und Bestrebungen eine zu schnelle und zu 
radikale Verwirklichung hemmten, weil die wichtigsten und schwerwiegend- 
sten Interessen der Nation gemeinsame sind und deshalb einheitlich wahr- 
genommen werden müssen. Da alle Seiten und Zweige des Öffentlichen 
Rechtes und des politischen Lebens in einem engen und unlöslichen Zu- 
sammenhang miteinander stehen, so mußte nach der „Logik der Tatsachen“ 
der Partikularismus immer. weiter vor der Vereinheitlichung zurückweichen, 
der Gesamtwille in immer größerem Umfange den Sonderwillen der Einzel- 
staaten verdrängen. Die politischen Kräfte drücken mit einer Art von 
natürlicher Schwere aufeinander; das größere Gewicht oder die größere 
Expansionskraft des einen Faktors drängt den anderen zurück. Die Ent- 
wicklung geht von zwei verschiedenen, aber auf das gleiche Ziel gerichteten 
Ausgangspunkten aus; der eine ist die Einheit Deutschlands im völkerrecht-
	        
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