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daß der dort zugelassenen Aufhebung der Niederlassungs- bezw. Aufent-
haltsfreiheit keine selbständige Bedeutung zukommt, wie es für den älteren
Vertrag von 1876 (Art. 7) und von 1890 (Art. 4) und auch für den deutsch-
niederländischen Vertrag?® behauptet worden ist. Denn einmal sind sach-
lich Fälle, in denen gegen Gesetze oder Polizeiverordnungen verstoßen
wird, ohne daß zugleich hierin einer der im neuen Art. 2 genannten Gründe
in Frage kommen könnte, nicht recht denkbar, sodaß der Nebensatz des
Art. 1 Abs. 1 wohl mehr im Sinne eines einschränkenden Zusatzes zu der
prinzipiellen Niederlassungsfreiheit und eines Hinweises auf die näheren
Ausführungen in den — nunmehr auch im Text unmittelbar ange-
schlossenen — Art. 2 und 3, die ausdrücklich und, nach Einführung der
Generalklausel, auch erschöpfend, die Ausweisungsgründe aufzählen, also
pleonastisch, gewertet werden muß. Ein Gegenargument läßt sich auch
aus der Fassung des Art. 2 (durch die Bestimmungen des Art. 1 wird nicht
berührt das Recht jedes vertragsschließenden Teils .) nicht herleiten;
denn damit sollte nur die Zulässigkeit einer Durchbrechung der Völker-
rechtsregel des freien Verkehrs zum Ausdruck gebracht werden ?”. Für
meine Auffassung sprechen aber weiterhin bis zu einem gewissen Grad die
von der Repatriierung handelnden Art. 7 und 8, in denen nur von einer
Ausweisung auf Grund von Art. 2 und 3 die Rede ist, wobei allerdings
nicht verkannt werden soll, daß die Nichterwähnung der Abweisung mangels
Vorliegens des Heimatscheins (Art. I 2) zu Zweifel Anlaß geben kann.
Einen weiteren materiellen Ausweisungsgrund statuiert der Vertrag in
Art. 3, der im wesentlichen # mit Art. 9 des alten Vertrags in Verbindung
mit Ziff. 5 des Schlußprotokolls übereinstimmt und die Ab- bezw. Ausweisung
solcher Personen zuläßt, die vor Erfüllung ihrer Militärpflicht die Staats-
angehörigkeit in dem nunmehr angegangenen Staate aufgegeben und in
dem anderen erworben haben. Jedoch soll von der Ausübung dieser Be-
26 Vgl. v. OVERBECK, Niederlassungsfreiheit, 8. 55 ff. und im Archiv
a. a. O., S. 128; v. ROHLAND, S. 35, Anm. 4. 42, Anm. 1. — Bei ersterem
auch Wiedergabe der schon unter dem Vertrag von 1876 im Ergebnis
mit uns übereinstimmenden Auffassung der ständerätlichen Kommission im
Falle Morat.
27 Vgl. Mooke, Digest of International law IV, 1906, p. 67 (8 550) über
die völkerrechtliche Zulässigkeit einer Abbeugung des Prinzips der Nieder-
lassungsfreiheit.
28 Eine gewisse Verschärfung liegt darin, daß der alte Vertrag nur die
Niederlassung oder den „bleibenden“ Aufenthalt untersagte, im neuen
Abkommen aber das Adjectivum weggelassen worden ist.
22 Jebereinstimmend Art. 3 Abs. 1 des niederländ. Vertrags. In ihm
findet sich aber (Abs. 2) ein weiterer Ausweisungsgrund, da jeder Teil sich
das Recht vorbehalten hat, solchen Angehörigen des anderen Teils die