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serungen, die bei einem Autor, der sonst so sehr auf Schärfe
der Begriffe zu dringen pflegt, einigermaßen überraschen. OTTO
MAYER scheint geradezu vorauszusetzen, daß sich die Frage nach
dem Verhältnis von Staat und Gebiet nur durch Analogien und
vergleichende Bezeichnungen beantworten lasse, gleich als ob es
sich um ein Mysterium, wie die Ewigkeit oder die Dreieinigkeit
handeln würde. In Wahrheit ist das Verhältnis von Staat und
Gebiet ein so vor aller Augen liegendes, daß selbst mancher
Ungebildete, wofern man ihn nur dazu bringt, seine diesfälligen
Vorstellungen in Worte zu kleiden, eine gar nicht unebene De-
finition desselben zum besten geben könnte, die freilich immer
auf „Analogien und vergleichende Bezeichnungen“ hinauslaufen
wird. Aufgabe der Rechtstheorie ist es gerade, eine von jeder
Bildlichkeit freie Formulierung zu finden. Die von mir gegebenen
Definitionen der in Frage stehenden Begriffe sind sensu strictis-
simo zu verstehen.
Vernehmen wir nunmehr, wie sich ein hervorragender
Soziologe zu dem (Gegenstand äußert. SIMMEL °? sagt darüber
folgendes: „Wir erblicken die Gebietshoheit als Folge und Aus-
druck der Hoheit über Personen. Der Staat herrscht über sein
Gebiet, weil er sämtliche Bewohner desselben beherrscht. Ge-
wiß könnte man scheinbar erschöpfender sagen, daß im Gegen-
teil das Letztere der Fall sei, weil das erstere gelte; denn da
es gar keine ausnahmslosere Umfassung einer Menschenzahl gibt
als die für den Raum derselben geltende so scheint die
Hoheit über das Gebiet die erste und allein zulängliche Ursache
der Hoheit über die Menschen in demselben zu sein. Dennoch
ist diese Gebietshoheit eine Abstraktion, eine nachträgliche oder
vorwegnehmende Formulierung der Personalherrschaft, indem sie
außer der Herrschaft über die jeweiligen Personen an ihren jeweiligen
Orten besagt: an welchen Orten dieses Gebietes sich auch diese
oder andere Personen befinden werden, sie werden immer in
28 Sociologie S. 696.