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gleicher Weise untertan sein. Aus dieser Unendlichkeit sozu-
sagen punktueller Möglichkeiten macht der Begriff der Gebiets-
hoheiten ein Kontinuum, er anticipiert mit der lückenlosen Form
des Raumes, was als konkreter Inhalt nur hier und dort reali-
siert werden kann. Denn die Staatsfunktion kann immer nur
Beherrschung von Personen sein und die Herrschaft über das
Gebiet in demselben Sinne wäre ein Nonsens“. Diese Bemer-
kungen bringen jedenfalls klar zum Ausdruck, daß die Beziehung
zwischen Staat und Gebiet und dieses selbst reine Abstraktionen
sind, was gleichmäßig verkannt wird, ob man nun das Gebiet
mit GERBER als Sache oder mit FRICKER als Körper des
Staates auffaßt.
Wie weit man überhaupt von der Erkenntnis entfernt ist,
daß man es hier mit juristischen Abstraktionen zu tun hat, zeigt
sich vielleicht am deutlichsten bei SCHOLZ *®*, der die staatliche Herr-
schaft in den Küstenmeeren, in den Eigengewässern (Häfen und Rhe-
den) auf See- und Luftschiffen, über unterseeische Tunnels und
Kabel auf eine „räumliche Erweiterung der Gebietshoheit durch
Rechtskonstruktion“ zurückführt. Es liegt hier ein ganz ähn-
licher Irrtum vor, wie der, vermöge dessen man Jahrhunderte
lang zwischen physischen und juristischen Personen unterschie-
den hat, bis man endlich zur Einsicht kam, daß es nur juristi-
sche Personen gibt, da die Persönlichkeit des einzelnen physi-
schen Menschen gerade so auf „Rechtskonstruktion“ beruht, wie
die des Vereines und der Stiftung. Auch die Gebietshoheit
des Staates ist überall, wo sie ihm zusteht, ein Produkt der
Rechtskonstruktion; eine Unterscheidung zwischen Staatsgebiet
im physischen und juristischen Sinne wäre vollkommen verfehlt.
Wirklich zutreffend erscheint mir nur die Unterscheidung einer-
seits zwischen der absoluten Kompetenz, wie sie jeder souveräne
Staat auf seinem Landgebiet in Anspruch nimmt, und der rela-
tiven Kompetenz, die er sich im Küstenmeer beilegt, und anderer-
24 Zeitschrift für Völkerrecht und Bundesstaatsrecht V S. 157 ft.